Beim Literaturcafé in der Stadt- und Schulbücherei Gunzenhausen gab es persönliche Leseempfehlungen zu 20 Neuheiten von der Frankfurter Buchmesse
Gunzenhausen (red). Bis auf den letzten Platz war diesmal die gemütliche Buchvorstellungs-Runde beim Literaturcafé in der Stadt- und Schulbücherei Gunzenhausen besetzt. Kurz nach der Buchmesse in Frankfurt gab es warmherzige Empfehlungen, aber auch kritische Stimmen zu 20 Neuerscheinungen. Besonderes Gast war der Autor André Ekama, der sein Buch „Schwarzer sein im weißen Himmel“ vorstellte. In seinen Büchern befasst sich der seit langer Zeit in Deutschland und seit einigen Jahren in Gunzenhausen lebende Autor mit vielen Facetten des Migranten-Seins. Seine Texte seien nicht biografisch im engeren Sinn, erläuterte Ekama, aber eigene Erfahrungen würden verarbeitet.
Gastland der Buchmesse war diesmal Italien und auch beim Literaturcafé kam mit Raffaella Romagnolo eine italienische Autorin zum Zug. Melena Renner hatte den neuen Roman „Die Sterne ordnen“ ausgewählt, in dem eine junge Lehrerin in der Nachkriegszeit sich besonders um eine ihrer Schülerinnen kümmert: Was hat die kleine Francesca wohl im Krieg erlebt, dass sie nicht mehr sprechen will? Die engagierte Lehrerin auf der Suche nach dem Geheimnis ihrer Schülerin steht im Mittelpunkt der Romanhandlung, doch man erfährt auch von der faschistischen Vergangenheit Italiens unter Mussolini.
Ins Berlin der 1920er-Jahre entführt der Roman „Reichskanzlerplatz“ von Nina Bossong. Von mächtigen Männern und von einem sorgenfreien Leben als Gattin eines einflussreichen Mannes fasziniert, heiratet Magda zunächst den Industriellen Günther Quandt. Nach der Scheidung tritt sie 1930 in die NSDAP ein und wird im Jahr darauf die Ehefrau von Joseph Goebbels. Als Leserin hätte Monika Wopperer sich gerne auf die Lebensgeschichte der Magda Goebbels fokussiert, doch im Roman rückt immer wieder Magdas junger Freund Hans in den Fokus, der seine Homosexualität zu verbergen versucht. Magda macht sich zur weiblichen Leitfigur jener Politik, die auf Menschen wie Hans bald Jagd machen sollten.
Zum ersten Mal beim Literaturcafé war Simone Wetzstein, die eine engagierte Empfehlung für den biografischen Roman „Gussie“ von Christoph Wortberg aussprach. Hinter dem Titel-Kosenamen steht die zweite Ehefrau Konrad Adenauers Auguste. Trotz des großen Altersunterschieds heiratet sie den damaligen Kölner Bürgermeister Konrad Adenauer. Vier gemeinsame Kinder zieht sie groß und ist auch eine fürsorgliche Stiefmutter für Adenauers drei Kinder aus erster Ehe. Sie geht mit ihrem Mann durch schwere Zeiten – gerade in der Zeit des Nationalsozialismus.
In den Nebenstraßen des Lebens bewegen sich die beiden Freunde und Titelfiguren des Romans „Leonard und Paul“, den die irische Autorin Rónán Hession verfasst hat. Kerstin Zels zeigte sich in einer humorvoll vorgetragenen Kritik nicht besonders begeistert vom geschilderten Alltagsleben der beiden aus ihrer Sicht allzu unscheinbaren Protagonisten.
Von Tina Ellinger hingegen kam eine unbedingte Empfehlung für den zweiten irischen Roman auf der Auswahlliste: In „Mitternachtsschwimmer“ von Roisin Maguire lernt man die ruppige, aber doch liebenswerte Grace kennen, die trotz ihrer rauen Schale den richtigen Umgang mit dem bedrückten Evan und seinen tauben Sohn Luca findet.
„Haben Sie Kinder?“ – Wie wenig harmlos diese Frage für Frauen mit oder ohne Kinderwunsch in bestimmten Lebensphasen sein kann, verstehen die Leserinnen und Leser nach der Lektüre des Romans von Jäckie Thomae „Glück“. Marianne Natalis empfahl diesen Roman um zwei Frauen um die 40, die sich dem Druck, den die „Kinderfrage“ auslöst, schwer entziehen können.
Ein sehr empathisches Buch über die Frage „Wie findet man seinen Weg im Leben“ hat Claire Lombardo jüngst veröffentlicht und Marion Hinderer hatte es als unbedingte Literaturcafé-Empfehlung ausgewählt. Im Mittelpunkt von „Genau so, wie es immer war“ stellt sich Julia, Ende 50, die Frage, was sie noch vom Leben erwarte. Dabei ist scheinbar doch alles bestens: eine glückliche Ehe, zwei erwachsene Kinder…
Der Verlagsleiter des renommierten Hanser-Verlags Jo Lendle hat auch noch Zeit fürs Romanschreiben. In dem von Ulrike Fischer sehr empfohlenen Roman „Himmelsrichtungen“ steht die Flugpionierin Amelia Earhart im Mittelpunkt. In Europa ist die bei einer der gefährlichsten Etappen ihrer geplanten ersten Erdumrundung verunglückte Pilotin weniger bekannt, in den USA gilt sie als Ikone der Frauenbewegung.
Ein erfolgreicher isländischer Thriller-Autor, der einen historischen Roman schreibt: Und auch das kann Arnaldur Indriadson sehr gut, befand Dagmar Bender. Schauplatz des Romans ist Kopenhagen im 18. Jahrhundert. Der isländische Uhrmacher Jon repariert im königlichen Palast eine astronomische Uhr und eines Tages betritt der dänische König die Werkstatt. Man erfährt viel über das Leben der einfachen Leute im Island in früheren Zeiten, so die Testleserin.
Ein von der eigenen Lebensgeschichte geprägtes Buch stellte Zena Wiehn vor: In „Seinetwegen“ begibt sich Zora Del Bruno im Alter von 60 Jahren auf Spurensuche: Als sie acht Monate alt war, starb ihr Vater bei einem Unfall. Nun will sie den Unfallverursacher – sie nennt ihn „Totmacher“ – aufsuchen. In kleinen Episoden und mit der Schilderung von Begegnungen wird von dieser Spurensuche erzählt.
Die Moderatorin der Literaturrunde Babett Guthmann hatte noch viele weitere Empfehlungen auf der Liste, denn auch das Büchereiteam war vertreten: Jürgen Huber mit dem Sachbuch „Deutschland für Buchverliebte“ und Nik Baumann mit dem fesselnden Romanbestseller „In den Farben des Dunkels“ von Chris Whitaker. Als besondere Überraschung stellte Ulrike Zatschker das neue vegetarische Kochbuch von Anne-Katrin Weber „Greens and Grains“ vor und hatte als kleine Kostprobe Pesto-Hörnchen mitgebracht.
Bildunterschrift: Autor André Ekama; Foto: Stadt Gunzenhausen/Nik Baumann