(red). „Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, ist er nun erbracht: Russland ist immer noch kein zivilisiertes „normales“ Land. Nein, wie zu Zeiten der Zaren werden unliebsame Gegner und Machtkonkurrenten wie Nawalny nicht demokratisch bekämpft, sondern einfach umgebracht. Aber es gibt einen zentralen Unterschied: während die Zaren auf der Grundlage brutaler Stärke handelten, stehen heute im Kreml Motive der schieren Angst und der Sorge um die Zukunft des Imperiums im Vordergrund: aus Sicht des Kremls kommt der „gefährliche“ Funke der Demokratie ja immer näher: erst waren es die Staaten des früheren Ostblocks, dann die Ukraine und jetzt Belarus, wo die Völker sich nicht mehr alles gefallen lassen, sondern aufbegehren.

Die Angst ist allerdings auch begründet, denn ein demokratisches Russland wäre „nur“ noch ein zwar großes, aber eben ein normales Land wie andere auch. Das rein wirtschaftliche Potential ohne das dann nicht mehr so einfach einsetzbare militärische Potential ließen den Einfluss des Imperiums Russland dramatisch absinken! Der Kreml steht also vor der ziemlich schwierigen Entscheidung: undemokratisches aber gefürchtetes globales Imperium oder demokratischer „Normalstaat“ mit der begrenzten Einflussnahme etwa in der Größenordnung der gemeinsamen Kraft von Deutschland und Frankreich.

Erschwerend kommt hinzu, dass in der zukünftig zu erwartenden Welt offenbar „weiche“ Faktoren wie Image, diplomatische Verlässlichkeit, wirtschaftliche Stabilität, starke Währung mindestens genauso wichtig oder gar wichtiger werden als kraftmeierische Drohungen mit militärischen Mitteln. (Das sieht übrigens bei dem wirtschaftlich mächtigen China ganz anders aus) Angesichts dieser Lage scheint mir eine kluge Strategie des Westens darin zu bestehen, den patriotischen Menschen in Russland die Angst vor der Normalität eines demokratischen Russlands zu nehmen und darzustellen, dass ein demokratisches Staat viele neue Chancen auf anderen Gebieten – Ansehen in der Welt, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Wohlstandsmehrung – eröffnen würde.

Allein von der globalen „Ausstrahlung“ eines russischen Imperiums kann man jedenfalls auf Dauer nicht gut leben und es überfordert irgendwann auch die wirtschaftlichen Ressourcen ganz zu schweigen von den permanenten Kosten des erforderlichen Unterdrückungsapparates. Irgendwann erreicht der Funke der Demokratie unvermeidbar auch Russland und die denkenden Bürger dieses wichtigen und großen Landes sind gut beraten sich darauf klug und rechtzeitig vorzubereiten.“

Dr. Ingo Friedrich
Präsident des Europäischen Wirtschaftssenats
Vizepräsident des Europäischen Parlaments a.D.

Bildunterschrift: Dr. Ingo Friedrich zu Russland. Foto: Dr. Ingo Friedrich

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