Treuchtlingen/ Absberg (red). „Wir sprechen alle von tollen Inklusions- und Integrations-Sachen. Wenn man sich zugehörig fühlt, brauchen wir diese ganzen Begriffe nicht. Dann ist man aufgenommen, dann ist man aktiv, dann wird man gefragt – und genau das ist passiert mit diesem Projekt.“ So beschrieb der Leiter von Regens Wagner Absberg, Dr. Hubert Soyer, bereits Ende Oktober vergangenen Jahres das, was den Erfolg eines besonderen Musikprojektes in Treuchtlingen ausmacht.

Musikprojekt mit Menschen nach Schädel-Hirn-Trauma zeigt nachhaltige Wirkung

Kurz zuvor hatten Menschen nach Schädel-Hirn-Trauma (SHT) in der örtlichen Regens Wagner-Einrichtung mit dessen Leiter Manfred Rehm und Musikprofis das Lied „Du g’hörst dazu“  aufgenommen. Auch ein Video wurde gedreht.  Rehm hatte den Song komponiert und den renommierten Musiker Michael Ruff sowie den preisgekrönten Regisseur  Julian Benedikt für das außergewöhnliche Projekt gewonnen. Realisiert werden konnte es aufgrund großzügiger Spenden des Rotary Clubs Weißenburg und des Lions Clubs Altmühltal.

Song mit Hitpotenzial

Das regionale Medienecho war groß. So entwickelte sich „Du g’hörst dazu“ zu einem „Inklusionssong“ mit Hitpotenzial. „Wir hatten im Internet bereits nach wenigen Wochen 1.000 Aufrufe, etwa genauso viele wie Herbert Grönemeyers Fan- und Freudevideo zum Lied Sekundenglück in derselben Zeitspanne. Und bis Ende Januar waren es weit über 3.500 Klicks“, registrierte Manfred Rehm nicht ohne Stolz.

Viel wichtiger ist dem Diplom-Pädagogen aber, was das Musikprojekt in der Bevölkerung sowie bei den beteiligten Menschen mit Behinderung ausgelöst hat. Noch Monate nach der Uraufführung sprachen ihn Bürgerinnen und Bürger auf den Song an, „zum Beispiel am Skilift“. Einige fragten, ob sie den Text bekommen könnten, der mit den Worten beginnt „Dazughörn hoast – a jeder ko anders sei, und so wie ma is halts da andre aus“. Treuchtlingens Bürgermeister Werner Baum ermöglichte bereits ein erstes Folgeprojekt: In den vergangenen Monaten hingen rund 20 selbstgemalte Bilder von Menschen mit Behinderung im Rathaus aus. Und er bot Manfred Rehm an, dieses Jahr die Stadthalle kostenfrei für ein „Inklusionskonzert“ zu nutzen. Zudem hat der Behindertenbeauftragte der Bundesagentur für Arbeit die Regens Wagner Band bereits zur Aktionswoche für Menschen mit Behinderung im Dezember nach Nürnberg eingeladen. Dort wird die Gruppe jeweils vor den Hauptrednern – dem Präsidenten der Agentur sowie Inklusionsaktivist Raul Krauthausen – auftreten.

„Durch die Aufmerksamkeit, die wir bekommen haben, konnten wir im Sozialraum Netzwerke knüpfen“, erklärt Pädagoge Rehm, was ihm wichtig ist. Einige der beteiligten Menschen nach SHT drängen ihn bereits dazu, ein neues Musikprojekt ins Leben zu rufen. „Ich finde, es sollte mindestens noch eins geben“, meint der 32-jährige Sebastian Simmel. „Ich konnte mich präsentieren und meine Schlagzeugfähigkeiten ausleben“, erzählt Simmel. Und er ergänzt: „Das Projekt hat zwar nichts konkret in meinem Alltag verändert, aber durchaus mein Selbstwertgefühl gesteigert.“

Sein 61-jähriger Mitbewohner Georg Schuster, der mit einer Rassel mitwirkte, hat durch den Song wieder einen neuen Zugang zur Musik bekommen, nachdem sein Interesse daran vorübergehend verloren gegangen war. „Ich warte darauf, dass es wieder losgeht“, sagt auch Schuster. Seinen Alltag hat das Projekt beeinflusst: Schuster nimmt inzwischen regelmäßig an der Musiktherapie in der Regens Wagner Einrichtung teil. Dort war auch der jetzige Erfolgssong gemeinsam gesungen und diskutiert worden. Anregungen der Menschen mit Behinderung – die etwa die Hälfte von einem Dutzend Singenden und Musizierenden stellten – flossen in den Text ein. So ist „Du g’hörst dazu“ auch von Eindrücken aus der Sozialeinrichtung inspiriert. Besonders gefallen hat Schuster, dass beim Dreh für das Video am zentralen Treuchtlinger Wallmüllerplatz „die Menschen auf uns zukamen, die in der Stadt unterwegs waren, und sich mit uns unterhielten“. So habe er ganz selbstverständlich Kontakt zur Bevölkerung bekommen.

„Unheimliche Bereicherung“

Rehm hat den Beteiligten zugesagt, bald ein weiteres Musikprojekt ins Leben zu rufen. Genaues will er noch nicht verraten, „aber es wird wieder um soziales Miteinander gehen“. Denn er hat erlebt: „Der Prozess über Monate, von der Aufnahme des Songs bis zum Musikvideo, hat uns zusammengeschweißt. Und wenn man dann mehr ins Bewusstsein der Bevölkerung kommt, ist das ein guter Schritt zu mehr Teilhabe.“ Sein Chef  Dr. Soyer meinte bereits im Herbst vergangenen Jahres, das Stück, das nun so viel in Bewegung gebracht hat, könne dazu beitragen, „Barrieren in den Köpfen abzubauen“. Regisseur Julian Benedikt meinte nach seiner Mitarbeit: „Es ist eine unheimliche Bereicherung, wenn man sich mit Menschen mit Behinderung beschäftigt, egal auf welchem Level. Wir brauchen einander und können voneinander profitieren.“

Zum Anhören: https://www.youtube.com/watch?v=dWz6M7WAyV8

Bildunterschrift: Georg Schuster, Manfred Rehm und Sebastian Simmel (von links) üben schon mal für ein neues Musikprojekt. Foto: Peter Esser

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