5. Literarischer Spaziergang durch Gunzenhausen

Gunzenhausen (red). Ist es Ihnen aufgefallen? Ein buntes Treiben herrschte in Spital- und Osianderstraße am letzten Donnerstagabend, denn alle halbe Stunde tauchte ein Trupp gut gelaunter Menschen auf, spazierte kurz über den Asphalt und verschwand wieder. Was war passiert? Die Kulturmacherei Gunzenhausen e.V. lud nach zweijähriger Coronapause zu ihrem beliebten Literarischen Spaziergang durch die Altmühlstadt. Diesmal hatte sich das Orga-Team den Bereich um Spitalkirche und Jugendzentrum für die kostenlose Lesereise ausgesucht. Das Beste: Der Literarische Spaziergang ist nicht nur was für Literaturwissenschaftler oder Germanisten, sondern richtet sich speziell an Kulturbegeisterte, die gerne Geschichten hören und ein paar schöne Momente mit Gleichgesinnten erleben wollen. Klein und Groß, Jung und Alt ist willkommen und kann gerne mit auf die literarische Reise gehen.

So feierten die Organisatorinnen Ulrike Fischer und Marianne Natalis ein abwechslungsreich-buntes Fest der Worte und hatten dazu mehrere, nicht-alltägliche Stationen ausgewählt. Gelesen wurden 20-minütige Sagen, Kurzgeschichten und Auszüge aus Büchern, fünfmal an fünf verschiedenen Orten. Ohne festgelegten Weg und Programm konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an jeder Station den Spaziergang beginnen und während der Veranstaltung entscheiden, welchen Platz sie als nächstes besuchen wollen.

In der atmosphärisch-dichten Spitalkirche las Babett Guthmann mit dem „Stelzengänger von Gunzenhausen“ eine heimische Sage vor, in der Hallodri Ephraim vor hunderten von Jahren Kirchgänger vor nassen Füßen in den Altmühlauen bewahren wollte. Seine Mission hat nicht ganz geklappt, doch zumindest wurde Jahre später ein Steinweg gebaut. Wer mehr darüber wissen möchte, der sollte sich auf das Guthmann‘sche Sagenbuch freuen, das momentan in Vorbereitung ist und bald erscheinen soll.

Im wunderschönen Garten der Scheune Sträuße & Co. in der Osiander Straße begeisterte nicht nur das naturnahe Kleinodrefugium des Blumen- und Dekoladens, sondern auch Vorleserin Christine Höller. Mit Blumenkranz im Haar und viel Charisma rezitierte sie Auszüge aus dem Roman „Die verborgene Sprache der Blumen“ von Vanessa Diffenbaugh. In der Geschichte geht es um das problematische Waisenkind Victoria, die langsam erwachsen wird und deren Liebe zu den Blumen allerlei Falsches im Leben richtet.

In leicht verruchtem, ganz in rot beleuchtetem Ambiente las Wolfgang Eckerlein in den mit tollem Auge fürs Detail dekorierten Penderock-Garagen Gerhard Polts Gedanken zu deutschen „Garagen“ vor. So eine Garage ist nicht nur ein Betonklotz, sondern manchmal auch sozialer Raum und Ursprung großer Bands oder Firmen. Mit viel Witz berichtete der Gunzenhäuser Tourismuschef von ästhetischen Volltreffern, Nachbarschaftsstreitigkeiten und Zockertempeln.

Die Lesestation im Freizeithaus Bahn-Sozialwerk in der Spitalkirche war wohl selbst eingefleischten Gunzenhäuserinnen und Gunzenhäusern nicht bekannt. Rainer Hochreiter hatte sich hierfür den Ro-man „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ von Rachel Joyce ausgesucht. Auf seinem Weg durch England trifft der skurrile Harold auf noch skurrilere Figuren.

Im Garten des Jugendzentrums wartete dann mit Peter Schnell der fünfte Vorleser. Im Gepäck hatte er zwei tolle Geschichten, eine sogar mit Bezug zu Gunzenhausen. In Jakob Wassermanns Kriminalerzählung „Adam Urbas“ geht es um einen Mord in Aha, den der titelgebende Adam an seinem Sohn verübt haben soll. Aber ist das wirklich so? Schnell verwischen Fiktion und Realität, es geht um einen Vater-Sohn-Konflikt, den Umgang mit Vorurteilen und schlechtem Ruf.
Der zweite Text war von Stefan Slupetzky und handelte von den großen Zufällen dieser Welt. Sehr, sehr lustig und mit viel Elan vorgetragen, wissen die Zuhörerinnen und Zuhörer nun, warum ein versalzendes Gulasch am Zweiten Weltkrieg schuld war, und dass Adolf Hitler ganz kurz davorstand, zum Judentum zu konvertieren.

Das tolle Literarische Spaziergang war leider viel zu schnell vorbei und schon jetzt freut sich die Kulturmacherei Gunzenhausen e.V. auf eine Fortsetzung im nächsten Jahr. Wer Näheres über den Gunzenhäuser Verein wissen möchte, der sich nebenbei auch immer über neue Mitglieder freut, für den ist die Internetseite www.diekulturmacherei.de erste Anlaufstelle.

Foto: Kulturmacherei Gunzenhausen e.V.

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