Klima-Ausblick fordert konsequentes Handeln – Auch Altmühlfranken wird betroffen sein
Altmühlfranken (red). Laut den aktuellen Veröffentlichungen des „Climate Service Center Germany“ (GERICS) sind auch für den Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen erhebliche Veränderungen des künftigen Klimas zu erwarten. So müssen z. B. bis zur Mitte des Jahrhunderts mit einem Anstieg bis 51 % der Niederschläge mit mehr als 20 mm/Tag im ungünstigsten Szenario und bis Ende dieses Jahrhunderts mit einem weiteren Anstieg um 87 % dieses Niederschlagsszenarios gerechnet werden. Bei diesem Szenario wird von einem weiterhin kontinuierlichen Anstieg der Treibhausgas-Emissionen ausgegangen. Das evtl. noch als realistisch eingeschätzte mittlere Szenario geht aber auch noch von einem 41 %igen Anstieg bis zur Jahrhundertmitte (also in gerade 30 Jahren) und von weiteren 47 % bis zum Jahrhundertende aus. Die Niederschläge insgesamt werden von 744mm/Jahr im ungünstigsten Fall bis Jahrhundertmitte um 17 %, im eher noch erreichbaren mittleren Szenario um 9,5 % anwachsen.
Diese nackten Zahlen lassen möglicherweise die Dramatik nicht erkennen, die hinter ihnen liegen. Daher sind hier die entsprechenden Daten des augenblicklich besonders gravierend betroffenen Landkreises Ahrweiler gegenübergestellt:
Projizierte Klimaänderung Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen Lkr. Ahrweiler
Niederschlag aktuell mm/Jahr 744 714
Niederschlag Szenario RCP 8.5 bis 2050*
+ 17 % + 19,9 %
Niederschlag Szenario RCP 4.5 bis 2050*
+ 9,5 % + 14,6 %
Niederschlag >= 20 mm/Tag Szenario RCP 8.5 bis 2050 (bis 2100)*
+ 51 % + 62 %
(+ 87 %) ( + 112 %)
Niederschlag >= 20 mm/Tag Szenario RCP4.5 bis2050 (bis 2100)*
+ 41 % + 44 %
(+ 47 %) (+ 59 %)
*Definition der Szenarien siehe Tabelle am Ende.
Dieser Zahlenvergleich soll keine Panik auslösen, aber trotzdem die Dringlichkeit unterstreichen, dass beim Zusammentreffen mehrerer ungünstiger Rahmenbedingungen mit einem ohnehin theoretisch für alle einhundert Jahre prognistizierten Hochwasserereignis auch derartige Ausmaße eintreten könnten. Wenn die Daten für Altmühlfranken nun eindeutig besser ausfallen, dann ist dies allenfalls der etwas günstigeren Topografie mit überwiegend weiten Talauen geschuldet. Aber das sollte nicht dazu leiten, sich absolut sicher zu fühlen.
Das Climate Service Center Germany (GERICS) wurde im Jahr 2009 von der Bundesregierung im Rahmen der „Hightech-Strategie zum Klimaschutz“ ins Leben gerufen und am Helmholtz-Zentrum Geesthacht – Zentrum für Material- und Küstenforschung GmbH (HZG) eingerichtet. GERICS ist seit 2014 eine selbstständige wissenschaftliche Organisationseinheit des HZG. Anfang Juli 2021 hat das GERICS einen Klimaausblick über mögliche zukünftige klimatische Entwicklungen aller deutschen Landkreise veröffentlicht, die auf den Ergebnissen von 85 regionalen Klimasimulationen basieren (Link: https://www.gerics.de/products_and_publications/fact_sheets/landkreise/index.php.de). Dabei wurden 17 verschiedene Kennwerte für Klimaveränderungen darrgestellt und durch eine Experteneinschätzung zur Robustheit der gezeigten Veränderungen ergänzt. Es ging dabei natürlich nicht nur um die Niederschläge, wenngleich diese Daten eine besondere und dramatische Aktualität in diesen Tagen erfahren. Da es diese Warnungen – basierend auf dem Erkenntnissen des IPPC-Sachstandsberichts – schon seit Jahren gibt und die notwendigen Konsequenzen aus unterschiedlichen Gründen immer wieder verzögert worden sind, machen die neuerlichen Daten nochmals transparent, dass ein dringender Handlungsbedarfbesteht. Dessen sicher erheblicher Kostenaufwand steht aber wohl in keinem Vergleich zu den jetzt entstandenen Schäden und dem damit verbundenen Leid für die davon betroffenen Menschen.
In folgenden Kennwerten sieht GERICS auch für den Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen jetzt überwiegend als robust eingeschätzte und absehbare Veränderungen, auf die sich die Bevölkerung einstellen und die Politik Vorsorge treffen müssten:
Zu erwartende Zunahmen für Altmühlfranken bis Ende des 21.Jahrhunderts
HeißeTage/Tropische Nächte
Dauer von Hitzeperioden
Schwüle Tage
Niederschlagstage mit mehr als 20 mm/Tag bis Extremregen
Klimatische Wasserbilanz
Abnehmende Tendenzen sind bei Frost- und Spätfrosttagen sowie Eistagen zu erwarten und im Hinblick auf die zu erwartenden Windgeschwindigkeiten werden keine Änderungen oder nur geringe Abnahmen angenommen.
In diesen Tagen hat zufällig auch der von der Bundesregierung eingesetzte “Bürgerrat Klima” unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident a. D. Horst Köhler seine Beratungsergebnisse vorgestellt und Empfehlungen an die Politik ausgesprochen. „Das 1,5°C-Ziel hat oberste Priorität. Klimaschutz ist Menschenrecht und muss ins Grundgesetz aufgenommen werden“, heißt es in den Empfehlungen des Bürgerrats. Wenn Klimaschutz als Menschenrecht eingeschätzt wird und die Arbeit dieses Gremiums keinen Feigenblatt-Charakter erlangen soll, so der übergeordnete Gedanke, muss künftig jedes neue Gesetz auf seine Klimaschutzwirkung hin überprüft werden.
Daniela Jacob, GERICS-Direktorin war Mitglied im Kuratorium des Bürgerrats Klima, das den Bürgerrat durch wissenschaftliche Expertise unterstützt hat. „Die Mitglieder des Bürgerrats Klima haben viele neue Ideen eingebracht – das ist genau der Fortschritt, den wir für unser gemeinsames Ziel benötigen. Diesen Schwung brauchen wir jetzt dringend!“, äußerte sich Direktorin Jacob zu den Ergebnissen. Es ist jetzt überfällig, dass sich die Politik auf allen Ebenen an den vorliegenden und an Eindeutigkeit nicht zu überbietenden Maßnahmenvorschlägen orientiert. Dies wird unsere finanziellen Möglichkeiten über Gebühr in Anspruch nehmen und ist gerade in den kommenden Jahren von besonderer Dramatik, wenn es ja auch noch darum gehen muss, die angesichts der Corona-Herausforderungen bereit gestellten Hilfsmittel wieder zu kompensieren. Aber dies ist eine unverzichtbare Zukunftsaufgabe gerade für kommende Generationen. Wir dürfen hier als Gesellschaft nicht versagen und müssen uns unserer Verantwortung gegenüber diesen Generationen bewusst sein. Wenn wir uns den Luxus von Tourismus-Ausflügen in das Weltall leisten, zum Einkaufsbummel mal eben nach Dubai oder New York jetten, dann wird immer mehr deutlich, dass Appelle an die Vernunft wohl nicht mehr wirken. Es muss und es wird leider auch finanziell wehtun müssen, wenn wir wirklich Erfolg haben wollen, unseren Kindern eine auch noch bewohnbare Erde zu hinterlassen. So wie in der ja immer noch nicht besiegten Pandemie werden wir uns aus auch hier aus purem Eigeninteresse sehr viel stärker an den Aussagen der Wissenschaft orientieren müssen. Und wie auch bei der Pandemie wird es da sehr stark interpretationsfähige Aussagen geben. Zukunftsfähig handeln wir aber nur, wenn wir jeweils auch den „Worst Case“ als möglich eintretenden Fall in unsere aktiven Bemühungen einbeziehen.
Zu diesen anstehenden Herausforderungen gehören ein Bündel an Maßnahmen aus den Bereichen Bodenschutz, Wasserschutz, Umweltschutz, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Bauen und Verkehr, Soziales aber auch und gerade die Entwicklungspolitik. Und es gehört jeweils dazu auch ein gerüttelt Maß an Mut zu unpopulären Entscheidungen. Um auch hier das Thema Hochwasserschutz nochmals zu bemühen, wird es viel stärker als in der
Vergangenheit notwendig sein, den Flüssen wieder ihre natürlichen Überflutungsbereiche zurück zu geben. Und zwar nicht in Form der jetzt an der Donau geplanten Stau-Poldern mit Damm- und Wasserhöhen von bis zu 4 m Höhe, sondern – wie von den flussmorphologischen Wissenschaftlern seit den 80er Jahren gefordert – durch flach aufzustauende und durchfließbare – Polder bzw. Retentionserweiterungsflächen. Nur das bringt den Menschen wirklich Sicherheit, der Natur wieder die notwen-dige zeitlich befristete Überstauung mit geringen Wassersäulen und ermöglicht dazu – außerhalb von Hochwasserzeiten – attraktive Auenlandschaften. FUTOUR hat dazu bereits in den 90er Jahren einen vielbeachteten Umsetzungsvorschlag „Mut zur Flut“ auf einer internationalen Messe in Berlin vorgestellt, der auch an etlichen Standorten bereits mit Erfolg umgesetzt werden konnte.
Die Stadt Gunzenhausen hat mit ihrer Hochwasserentlastung durch Aufweitung des Überflutungsraums einerseits und damit Absicherung des Stadtkerns vor dem Hochwasserdruck andererseits dazu ein gutes und nachahmenswertes Beispiel gesetzt. Hier wurde aber – wie an vielen anderen Stellen z.B. an Rhein und Donau – auch deutlich, dass diese Gesellschaft von einer Solidarität in einem Flusseinzugsgebiet noch weit entfernt ist. Denn nicht alle Grundeigentümer – an anderen Stellen auch nicht ganze Kommunen – sehen die Notwendigkeit, sich z.B. mit der Bereitstellung von Flächen für eine aktive Erweiterung der Überflutungsbereiche mit bedrohten Unterliegern – mitunter eben erst 100 km flussabwärts – solidarisch zu erklären. Auch eine solche FlusseinzugsbereichsBereitschaft muss in diesen Tagen mit Nachdruck in das öffentliche Bewusstsein gerückt werden,
wenn man an die bestürzenden Folgen für zahlreiche Menschen denkt.
Und es mutet da schon etwas weltfremd an, wenn ausgerechnet Angela Merkel – immerhin als Bundesumweltministerin auch Unterzeichnen für Deutschland auf der Agenda 21 beim UN- Umwelt-Gipfel 1992 in Rio – nun nach 16 jähriger Kanzlerschaft angesichts der aktuellen Hochwasserschäden erklärt, dass „die Politik künftig alles tun müsse, um solche Auswirkungen zu vermeiden.“