Frank Mronga, Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Caritas, über Suizid
„Es kommt häufig vor, dass Betroffene Lebensunmutsgedanken haben, Suizidversuche kommen auch immer wieder einmal vor. Suizide selbst habe ich in meiner 30-jährigen Tätigkeit hier Gott sei Dank nur einige wenige erleben müssen.“ Das erklärt Frank Mronga, Psychologischer Psychotherapeut und Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Caritas-Kreisstelle Eichstätt. Nach seiner Erfahrung betrifft die Problematik Suizid Menschen aller Schichten und Altersklassen. „Vor allem sind es aber Menschen mittleren Alters zwischen etwa 40 und 50 Jahren, die schon Schicksalserlebnisse hatten“, so Mronga. Menschen mit chronisch psychischen Erkrankungen, die zu dem Sozialpsychiatrischen Dienst kommen, berichteten nicht selten von vergangenen Suizidversuchen. „Meist folgte danach eine intensive psychiatrisch-stationäre Unterstützung.“
Als Gründe dafür, dass Menschen an Suizid denken oder ihn sogar begehen wollen, spielen dem Psychotherapeuten zufolge zum Beispiel Trennung und Scheidung eine große Rolle, aber auch Arbeitslosigkeit und in speziellen Fällen Flucht- und Traumaerfahrungen. Grundsätzlich hätten die Betroffenen das Gefühl, den Anforderungen des Lebens nicht mehr gerecht zu werden und in der Gesellschaft nicht mehr „zu funktionieren“. „Sie fühlen sich in ihrer Persönlichkeit verletzt.“ Bei vielen sei auch mangelnde Wertschätzung eine Ursache oder, dass sie sich die Schuld für ein vermeintliches Versagen geben. „Sie sagen sich zum Beispiel: Was soll das noch? Es hat keinen Sinn mehr! Alles fällt mir so schwer. Meine Mitmenschen mögen mich nicht mehr. Ich halte das nicht mehr aus“, nennt Mronga Beispiele.
Risiko- und Schutzfaktoren erfragen
Um Betroffenen zu helfen, ist nach Erfahrung des Leiters der Sozialpsychiatrischen Dienstes zunächst einmal aufmerksames Zuhören und behutsames Nachfragen wichtig: „Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen, es hat keinen Sinn mehr?“ Im Laufe der Beratung gehe es dann darum, „bei den Leuten Löcher in ihren Tunnel zu schlagen, aus dem sie selbst keinen Ausweg sehen. Wir schlagen ihnen Alternativen vor, auf die sie selbst nicht kommen“, informiert Mronga. Wenn ihm jemand zum Beispiel sage, er schaffe sein Studium nicht, könne er ihm empfehlen, es langsamer zu absolvieren, etwa die Anzahl der Prüfungen besser zu steuern. „Oft kommt es bei den Betroffenen dann zu einem Aha-Effekt und zu einer Aufhellung der Stimmung. Die Fokussierung auf den Suizid verhinderte zuvor das Finden einer vermeintlich einfachen Lösung“, weiß der Psychologische Psychotherapeut. Ganz wichtig sei es auch, sehr schnell andere Fähigkeiten und Fertigkeiten, sogenannte Ressourcen des Betroffen, zu finden und zu entwickeln, damit er letztendlich den Glauben an sich selbst wiederfinden könne. Zudem erfragen Mronga und seine Mitarbeitenden im Gespräch Risiko- und Schutzfaktoren. Fragen zu Risikofaktoren könnten etwa sein: „Wurden schon Vorbereitungen getroffen? Mit wem hat die Person schon gesprochen? Fühlt sich die Person einer extremen Belastung ausgesetzt? Fällt es schwer, an etwas anderes als diese Probleme zu denken?“ Schutzfaktoren, die ausfindig gemacht werden, seien zum Beispiel: „Was hält die betroffene Person am Leben? Wer kann unterstützend wirken? Was müsste anders werden, damit das Leben wieder auszuhalten ist? Können sie sich selbst etwas Gutes tun?“ Auch Fragen nach Hobbys und der möglichen Verwurzelung in einer Religion gehören laut Mronga hierzu.
Mit manchen Klienten vereinbaren die Beraterinnen und Berater, täglich zu telefonieren, mit vielen schließen sie auch eine Art Vertrag ab, dass sich die Betroffenen nichts antun. „Das kann mündlich oder auch schriftlich erfolgen. Da sich Suizidgefährdete häufig zurückziehen, ist es ferner wichtig, für sie ein soziales Netz aufzubauen aus Angehörigen, Bekannten und Freunden“, betont der Psychotherapeut. Für den Ernstfall ergänzt er: „Wenn ein Suizidversuch unmittelbar bevorsteht, sollte man die 112 anrufen. Wenn jemand das Bedürfnis hat, seine Lage mitzuteilen und sie mit jemandem zu besprechen, weil kein Ausweg zu finden sei, kann er sich entweder an den Krisendienst Psychiatrie unter 0800 6553000 wenden oder an die Telefonseelsorge unter 0800 1110111.“
Notfalls schnell externe Hilfe suchen
Für ganz wichtig hält Frank Mronga die Erfahrung, dass „in der Regel nicht das Sprechen, sondern das Nichtansprechen die suizidale Absicht verstärken kann. Sprechen ist für die Betroffenen eine Erleichterung.“ Natürlich solle man es aber behutsam im Sinne eines Gesprächsangebotes tun, ohne zudringlich zu werden. Man könne zum Beispiel fragen: „Was ist los mit dir? Was empfindest du als sinnlos? Was tut dir jetzt gut?“ Wenn sich Angehörige überfordert fühlen, sollten sie schnell externe Hilfe suchen.
Kontakte:
Caritas-Kreisstelle Eichstätt, Sozialpsychiatrischer Dienst, Pfahlstraße 17, 85072 Eichstätt, Telefon: 8421 50870, E-Mail: spdi@caritas-eichstaett.de, Internet: www.spdi-eichstaett.de
Caritas-Kreisstelle Ingolstadt, Beratungsstelle für psychische Gesundheit, Jesuitenstraße 1, 85049 Ingolstadt, Telefon: 0841309100, E-Mail: spdi@caritas-ingolstadt.de, Internet: www.spdi-ingolstadt.de
Bildunterschrift: Frank Mronga ist Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Caritas in Eichstätt und berät auch immer wieder Menschen, die Suizidgedanken haben. Foto: Caritas/Peter Esser