Gunzenhausen (red). Mit 15 Beiträgen von 14 Autoren setzt „Alt-Gunzenhausen“, das Jahrbuch des Vereins für Heimatkunde Gunzenhausen, seine publizistische Arbeit fort. Die 74. Ausgabe hat einen Umfang von 270 Seiten. Vorsitzender Werner Falk stellte die Publikation im Beisein von Schriftleiter Werner Mühlhäußer im Gasthaus „Altes Rathaus“ Bürgermeister Karl-Heinz Fitz vor. Der Bürgermeister dankte dabei dem Verein für seine seit vielen Jahrzehnten anhaltende Arbeit im Dienste der lokalen Historie.
Die Beiträge des Jahrbuchs, das im Gunzenhäuser Buchhandel erhältlich ist, beginnen mit einer Darstellung des frühgeschichtlichen Siedlungsplatzes bei Unterasbach. Werner Somplatzki, der Heimatpfleger für Archäologie, hat danach geforscht. Die 1925 von Dr. Heinrich Eidam gefundenen Hornsteinwerkzeuge sind für ihn der Beweis, dass es dort schon vor 7000 Jahren eine steinzeitliche Siedlung gegeben hat.
„Wer wurde unter der abgetretenen Grabplatte im Heidenheimer Münster bestattet?“ Siglinde Buchner hat Epitaphien als Informationsquellen entdeckt und nimmt an, dass dort das um 1620 geborene Töchterchen des Heidenheimer markgräflichen Amtmanns Eitel Heinrich von Stain und seiner Frau Magdalena von Absberg, begraben ist.
Siglinde Buchner begibt sich zudem auf die Spurensuche nach dem Weiler Nordstetten, dessen Name sich von „Fels“ und „steinigen Boden“ ableiten lässt. Dazu gehörte auch die „Lepfenburg“ (Lauffenbürg wurde bis 1510 so genannt). Die Autorin liefert eine Häusergeschichte des Mittelalters. Sie bezweifelt, dass Nordstetten ein Freidorf war, in dem die Bewohner die Dorfherrschaft selbst ausübten.
Zu den konfessionellen Verhältnissen und Sprengelstrukturen der Pfarreien im Kalbensteinberger Land hat Dr. Daniel Schönwald geforscht. Bemerkenswert findet er, dass die Sprengel nach der Reformation zunächst beibehalten wurden ohne Rücksicht auf die Konfession der Untertanen. Erst im 19. Jahrhundert ist die feste Einpfarrung verfügt worden. Die Vorgänge waren mitunter kurios: der evangelische Huber aus Unterhöhberg war Untertan des katholischen Stifts Spalt, brachte seinen Sohn zur Taufe in das katholische Mitteleschenbach und bestattet wurde er vom evangelischen Pfarrer von Gräfensteinberg in Haundorf. Die Bestattungsgebühren mussten nach Mitteleschenbach gezahlt werden.
„Der Dreißigjährige Krieg und seine Auswirkungen in Gunzenhausen“ war 2019 ein Vortragsthema von Werner Mühlhäußer. Die grauenhafte Zerstörung, Verwüstung und Hungersnot, die das kleine Städtchen damals als Durchzugsgebiet der kaiserlichen und schwedischen Truppen hinnehmen musste, zeichnet er nach. Tilly Truppen haben damals auch den Stiftungsbrief für das Spital (1351) vernichtet. Er zitiert das Laubenzedeler Kirchenbuch: „Die armen Leut sind mehr todt als lebendig“. Nach der Zerstörung von 111 Anwesen stand fest: „In Summa ist dieses Städtlein nur einer Spelunke ähnlich“.
Oskar Geidner skizziert die Geschehnisse während des Dreißigjährigen Kriegs in (Wolframs)-Eschenbach und schildert die Widerstandskraft der Bevölkerung am Beispiel der Gefangennahme von Bürgermeister Ulrich Kolb (1633) durch die Schweden, als die Bürgerschaft ihr ganzes Hab und Gut verpfändete, um ihren Bürgermeister freizubekommen. Nicht so sehr durch Kriegshandlungen als durch die Flucht vor Hunger und Seuchen reduzierten sich die Haushalte um 71 Prozent.
Der hochbegabten Familie Motzel in Arberg, die hohe geistliche und weltliche Ämter am kaiserlichen Hof in Wien und am Bischofssitz in Eichstätt innehatte, widmet sich Karl Rieger in Fortsetzung seiner Reihe über berühmte Söhne Arbergs. Georg Motzel, mittelalterlicher Finanzchef in Arberg, verwaltete 22 Jahre lang das Amt, dessen Reichweite bis Hirschlach und Streudorf ging. Geblieben ist das frühere Kastenamt. Als „Schoberhaus“ ist es eines der schönsten historischen Gebäude im Ort.
Auf den Gunzenhäuser Oberkaplan Paul Days beruft sich Wolfgang Pfahler in seiner Darstellung der Leichenpredigten für Sibylla Maria Rosa (1712) und Christoph Lorenz Meelführer (1717). Er wertet das Haus- und Jahrbuch des Gunzenhäuser Archivdiakons aus, der von 1696 bis 1735 gelebt hat. Die Leichenpredigten enthalten nicht nur theologische Betrachtungen, sondern gehen ebenso auf die Lebenslust der Verstorbenen ein.
Leopoldo Matteo Retti galt als der „Stararchitekt“ am markgräflichen Hof in Ansbach. Werner Mühlhäußer charakterisiert den einer italienischen Künstlerfamilie entstammenden Barockbaumeister, der 1731 an den Ansbacher Hof kam und auch in Gunzenhausen seine „Handschrift“ hinterlassen hat.
Heute reden wir von Kirchensteuer, im 18. Jahrhundert ärgerten sich die Degersheimer über das Kirchenstuhlgeld. Werner Kugler schreibt in seinem Beitrag „Sitzplätze 1., 2. und 3. Klasse und kostenfreie Notsitze“ von einem Streit, der geführt wurde, weil sich eine Familie weigerte, für einen ihr nicht gefallenden Kirchenstand zu zahlen.
„Die Orgeln der Spitalkirche Gunzenhausen im 18. bis 20. Jahrhundert“ beschäftigen Tobias Kleemann und Max Pfahler. Das 1701 erbaute zweite Gotteshaus in der Stadt bekam erst 1822 eine Orgel vom Heilsbronner Orgelbauer Eichmüller, dessen Werk sich aber nicht durch besondere Qualität auszeichnete. So bekam die Kirche nach siebzig Jahren eine neue – von dem Oettinger Steinmeyer. Max Pfahler, der in der Nachbarschaft und in enger familiärer Freundschaft zu Kirchenmusikdirektor Karl Hunger aufgewachsen ist, geht auch auf dessen vierzigjährige Kantordienste ein.
Wiederholt widmet sich in der Publikation „Alt-Gunzenhausen“ der Weißenburger Autor Werner Neumann dem Armenwesen in der Stadt, diesmal von 1818 bis 1918. Eine Feststellung ragt heraus: Ernestine Reichel war 1911 die erste Frau im Altenpflegerat der Stadt. Und er schreibt von den Exzessen des Maurers Karl Vorbrugg, die dazu führten, dass er aus dem Armenhaus flog.
Die katholische Konfessionsschule Gunzenhausen 1869-1936 ist das Thema von Günter Dischinger. Er findet es bemerkenswert, dass schon 1851 der Pfarrer aus Cronheim katholischen Unterricht im protestantischen Schulhaus geben durfte. Erst 1869 erhielt die Filialkirche Gunzenhausen ein eigenes Schulhaus (Nürnberger Straße 27/heute Pfarrzentrum).
„…Oha, der Kalendermann aus Aha!“ So nannten die Freunde des „Freimund“-Hauskalenders den Pfarrer Friedrich Wucherer, den Dr. Joachim Schnürle porträtiert. Der Geistliche, der 1849 die Gesellschaft für Äußere und Innere Mission mitbegründete, gehörte zu den engen Freunden des Neuendettelsauer Anstaltsgründers Wilhelm Löhe. 1958 kam der kränkelnde Wucherer von Nördlingen nach Aha, wo er als Herausgeber des „Freimund“-Hauskalenders agierte. Von 1851 bis 1972 gab es das Kalendarium, das für viele Familien täglicher Begleiter war. Vertrieben wurde der „Freimund“ hierzulande unter anderem von dem Gunzenhäuser Buchhändler Braun in der Osianderstraße.
Christian Breit ist in der Chronik des Liederkranzes Gunzenhausen von 1834 ein bemerkenswerter Finanzierungsgag aufgefallen. 1884 konnte jeder Gunzenhäuser für fünf Mark einen „Garantieschein“ kaufen. Das Geld erhielt er nach dem 50-jährigem Jubiläum wieder zurück. Es ist nicht erwähnt, ob die Aktion erfolgreich war. Es ist eher das Gegenteil zu vermuten, denn die dreitägigen Jubelfeiern im Schrannensaal mit Feuerwerk und Festkonzert waren defizitär. Am Ende fehlten 1000 Reichsmark. In die patriotische Männerchorliteratur des 19. Jahrhundert reihte sich auch das Festgedicht von Heinrich Eidam ein, das Dirigent Ludwig Hartmann vertonte.
Bildunterschrift: Das neue Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“ präsentierten Vorsitzender Werner Falk und sein Stellvertreter und Schriftleiter Werner Mühlhäußer (links) dem Rathauschef Karl-Heinz Fitz. Foto: Erika Wüst