Vegane Ernährung als Trendthema – Interview mit der Mitarbeiterin der Stadt- und Schulbücherei Laura Baumann

Gunzenhausen (red). Vor Jahren hatten bei den Kochbuch-Neuerscheinungen die Grillbücher einen Spitzenplatz erobert, neuerdings gibt es eine ganze Reihe von erfolgreichen Titeln zum Thema vegane Ernährungsweise. So hat es Niko Rittenau mit seinem Buch „Vegan-Klischee – Ade!“ und dem zugehörigen Kochbuch auf die Bestsellerlisten geschafft. In der Stadt- und Schulbücherei Gunzenhausen gibt es derzeit eine Ausstellung mit Rittenaus und vielen weiteren veganen Koch- und Backbüchern. Die Bibliothekarin Laura Baumann hat seit längerem Erfahrungen mit veganer Ernährung und stellt sich den Fragen ihrer Kollegin Babett Guthmann.

Was die Ernährungsweise anbelangt, kommen wir aus ganz unterschiedlichen Traditionen. Ich gehöre zur Fraktion „Bayerisches Kochbuch“ und esse gerne zum Frühstück ein Wurstbrot, Du ernährst dich vegan. Doch du bist da offenbar sehr tolerant.

Laura Baumann: Ja, ich bin auf der Seite derjenigen, die sagen: man sollte sich bewusst sein, was man da isst und dann seine Entscheidung fällen. Also nicht dieser blinde Konsum: Das Billig-Fleisch beim Discounter kaufen und dann erwarten, dass diese Kuh irgendwo glücklich auf der Weide stand.

Hinter der Entscheidung für eine vegane Ernährung steht bei dir also der Tierschutz?

Laura Baumann: In erster Linie der Tierschutz und in zweiter Linie auch Nahrungsbewusstsein. Ich finde Tiere einfach niedlich und würde die lieber knuddeln, als mir die zum Essen zu holen. Natürlich ist es auch eine politische Frage: Die Subvention von Fleisch- und Milchprodukten und die damit verbundene Lebensweise sind nicht mehr zeitgemäß. In den westlichen Gesellschaften gibt es da genügend Alternativen.

Ein erster Schritt wäre, weniger Fleisch und Milchprodukte zu konsumieren. Jeden Tag drei Fleischmahlzeiten – das ist einfach zu viel! Auch wenn man nicht ganz auf Milch und Fleisch verzichten will, es gibt viele Alternativen, mit denen man tierische Produkte ersetzen kann.

Ich habe nicht aufgehört, Fleisch zu essen, weil es mir nicht schmeckt. Deshalb mag ich auch mal ein Fake-Chicken und das schmeckt gut!

Nachgebautes Fleisch – ist das nicht was Ekliges oder schmeckt das dann wie Hühnchenfleisch?

Laura Baumann: So ein Fleischersatz basiert auf unterschiedlichen Nahrungsmitteln: Soja, Weizen, Lupine, Erbsenprotein. Das ist die Basis des Ganzen und ist dann halt eine Imitation. Für mich schmeckt das wie Hühnchen. Aber das kann man wohl nicht mehr beantworten, wenn man sich über einen längeren Zeitraum vegan ernährt.

Wie lange machst du das schon – keine tierischen Produkte auf dem Speiseplan?

Laura Baumann: Während meines Studiums habe ich angefangen, mich vegan und vegetarisch zu ernähren. Erster Auslöser war ein längerer USA-Aufenthalt. Mit dem dortigen Factory-Farming wird die Produktion von Fleisch derart gesteuert, dass es da keine gute Haltung geben kann: Jede Pute, jedes Huhn, jedes Ei muss exakt dem anderen gleichen. Industriestandard bei Lebewesen!

Vor acht Jahren war die rein vegane Ernährung allerdings etwas schwieriger. Da gab es teilweise nur Sojamilch und irgendeinen Analog-Käse im Supermarkt. Mit Freunden essen gehen war fast unmöglich. Als ich dann nach Berlin an die Uni gewechselt bin, war es plötzlich möglich, voll vegan einzusteigen.

Aber Schuhe aus Leder sind nicht tabu?

Laura Baumann: Ich ernähre mich vegan, aber ich lebe nicht vegan. Wahrscheinlich aus Faulheit und weil es einfacher ist. Gewisse Sachen kaufe ich, ein Beispiel wären Lederschuhe. Das ist für mich ein Dauer-Produkt, kein gedankenlos-schnelllebiger Konsum. Ein anderes Beispiel: Leim und Klebstoffe werden oft auf Basis von Glutin und Kasein hergestellt, da dürfte ich mir ja keine Bücher mehr kaufen! Kurz: Ich tue mein Bestes, aber manchmal geht es (noch) nicht ohne tierische Produkte. Beim Essen aber bin ich konsequent!

Gibt es da nicht auf Dauer Probleme mit Nährstoffmangel? Ich habe da mal was von Eiweißmangel und Kalcium-Defizit gehört…

Laura Baumann: Das Einzige, was wirklich fehlt in der veganen Ernährung, ist Vitamin B12. Das ist jetzt teilweise in den Ersatzprodukten schon drin. Und man kann Lutschtabletten einnehmen. Einmal im Jahr sollte man den körpereigenen B12-Wert mit einem Holo-TC-Test bestimmen lassen. – Diesen Test man selber bezahlen. Bei allen anderen Nährstoffen gilt: Auf eine ausgewogene Ernährung achten und dann passt das.

Zu wenig Proteine in der veganen Ernährung – das ist Mythos. Solange man kein Roh-Veganer ist oder unmäßig Muskeln aufbauen möchte, spielt das keine Rolle. Calcium ist mittlerweile in Sojamilch und Hafermilch zugesetzt, und auch in vielen pflanzlichen Lebensmitteln wie Kichererbsen, Leinsamen, und Grünkohl. Aber es stimmt: Gerade in den USA betont die Milch-Lobby besonders, dass Calciummangel ein Problem sein könnte bei veganer Ernährung.

Woran erkennt man vegane Produkte? Das ist ja gerade bei Lebensmitteln mit mehreren Zutaten nicht immer ganz einfach.

Laura Baumann: In Deutschland und in der EU sind ja Inhaltsstoffe von Lebensmitteln angegeben und es gibt das v-Label, diesen gelben Aufkleber mit der Info ob ein Produkt vegan oder vegetarisch ist. Wenn man Inhaltsstoffe von fertigen Produkten durchliest, dann ist da häufig z.B.  Milchpulver dabei, auch Aromastoffe sind manchmal aus tierischer Produktion, aber auch Lebensmittel wie Äpfel haben häufig eine Wachsschicht, die tierischen Ursprungs ist, beispielsweise aus Bienenwachs, damit sie schön glänzen.

Und das will man dann nicht essen, wenn man sich vegan ernährt? Das wusste ich nicht!

Laura Baumann: Da gibt es tatsächlich Unterschiede, manche sind da strikter als andere. Bei Äpfeln achte ich meist auf nicht glänzend und häufig Bio. Honig ist auch so ein Streitthema. Ich esse keinen „industriell“ erzeugten Honig, aber vom lokalen Imker schon. Manche Menschen, die sich vegan ernähren, essen auch keine Feigen, denn bei jeder Bestäubung kann eine Wespe gestorben sein. Also es gibt Menschen die das ganze etwas strenger sehen als andere.

Fertiggerichte sind ja so ziemlich tabu. Und beim Backen keine Eier und keine Milch, hm… Trotzdem war die Donauwelle, die du mal mitgebracht hast, richtig gut!

Laura Baumann: Am Anfang muss man da ein bisschen rumprobieren. Und es gibt mittlerweile das Internet und bekannte Köche wie Bianca Zapatka, Bosch, Nisha Vora und so viele mehr, die inzwischen auch Kochbücher herausgebracht haben, die einem dabei helfen. In der Stadt- und Schulbücherei haben wir 75 vegane Koch- und Backbücher im Bestand, als Empfehlung nenne ich das Buch „Vegan Cake Porn“ von Bianca Zapatka, da sind ganz leckere Sachen drinnen. Beim Backen wird als Ei-Ersatz Leinsamen oder Chia-Samen mit Wasser verwendet oder – je nach Geschmack – auch Apfelmus oder Banane. Die Creme-Schicht in der Donauwelle war übrigens aus veganer Hafer-Sahne – da gibt es wirklich keinen Geschmacksunterschied!

Da muss ich zustimmen! Aber solches Tofu-Zeugs, das schmeckt doch – wie wir Franken sagen – „wie eingemachte Kellertreppen“, also nach nix!

Laura Baumann: Wenn man das direkt aus der Packung isst, schmeckt das – sagen wir mal – neutral. Tofu wird aus weißen Sojabohnen hergestellt, man muss den auspressen und dann ordentlich würzen oder am besten marinieren. Irgendwann ist man den Geschmack auch gewohnt und kann das auch ohne großes Vorbereiten einfach kurz in der Pfanne mit einer leckeren Soße anbraten. Gute Rezepte für den Anfang gibt es z.B. in „La Veganista“ von Nicole Just.

 Wenn man dazu die Zutaten einkaufen will, ist das schwierig? Und zum Essen gehen?

Laura Baumann: Der Bioladen hier vor Ort ist wirklich gut! Auch in den großen Supermärkten gibt es ein breit gefächertes Angebot. In den Discountern auch und die meisten haben inzwischen sogar eine hauseigene Vegan-Marke. In Drogeriemärkten gibt es ganz besondere vegane Snacks, von Keksen zu Riegeln ist alles dabei. Ich gehe manchmal auch in einem Supermarkt in Merkendorf mit eigenem Kühlregal für vegane Lebensmittel einkaufen. Das ist immer wieder lustig, denn das Regal ist gleich neben der Fleischtheke und man muss zwischen der Warteschlange durchschlüpfen. Und das frische Gemüse und Obst am Wochenmarkt ist bei mir auch begehrt, ebenso die Antipasti.

In der bayerischen Idylle manchmal ein bisschen schwierig, aber in Gunzenhausen haben viele Lokale ein oder mehrere vegane Gerichte auf der Speisekarte. Oder ich esse dann halt Salat und Pommes.

Das hört sich alles viel entspannter an, als ich gedacht hätte. Und auch nicht von Gruppenzwängen geprägt.

Laura Baumann: Genau so sollte es sein. Aber es gibt solche Trends: Die ganze Welt sollte vegan leben. Aber das sollte nie das Ziel sein und ist bei vielen Völkern auch gar nicht möglich, beispielsweise den Inuit. Was ich nicht mag, ist eine Influencer-Bewegung, die suggeriert, man müsste immer das perfekte vegane Diner servieren und wehe da ist was Fragliches dabei wie Honig. Es ist schon so: Die sich am Lautesten melden, das sind die strengsten, fast schon militanten Veganer. Mit denen will ich nichts zu tun haben.

Was hältst du von Leuten, die zwischendurch mal einen veganen Tag einlegen oder der Veganuary-Bewegung, die dazu ermuntert, einen veganen Januar einzulegen? In dem Kochbuch-Titel von Christina Wiedemann ist der Gedanke, mal zwischendurch ein veganes Gericht zuzubereiten enthalten: „Öfter mal vegan. Familienrezepte, die allen schmecken – Stell dir vor es gibt vegan und keiner merkts“.

Laura Baumann: Finde ich cool! Mein Bruder zum Beispiel ist auch Fleischesser, aber er ist schon bereit, mal einen veganen Burger zu probieren und eine Fleischmahlzeit auszulassen. Das ist auch wirklich schon besser für die Umwelt. Es ist einfach ein gutes Gefühl, solch einen Burger zu essen und zu wissen, da ist kein Tier dafür gestorben, also meiner Meinung nach.

Foto: Babett Gutmann

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