Insolvenzen in Zeiten der Corona-Pandemie
Interview mit Insolvenzbewerter und Insolvenzverwerter Markus Rockmann und Alexander Raab, Fachanwalt für Insolvenzrecht
Seit mehr als einem Jahr stellt die Corona-Pandemie das Leben der Menschen auf den Kopf. Langsam kommt aber Hoffnung auf. Doch was kommt danach? Rollt die Insolvenz- und Inflationswelle auf uns zu? Eine Welle der Preiserhöhungen zeichnet sich bereits ab.
Wir sprechen mit dem zertifizierten und öffentlich bestellten Auktionator Markus Rockmann von der Verwertungsgesellschaft Rockmann Industrieauktionen GmbH & Co. KG, seit 18 Jahren kompetenter und verlässlicher Ansprechpartner für Auflösungen, Bewertungen, Verwertungen, Versteigerungen, Auktionen und Räumungen, und Alexander Raab, Fachanwalt für Insolvenzrecht und regelmäßig bestellter Insolvenzverwalter, von der Kanzlei Raab & Kollegen aus Fürth.
WZ: Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sind noch nicht absehbar. Rechnen auch Sie mit einer erhöhten Insolvenzgefahr, insbesondere für die direkt vom Lockdown betroffenen Branchen?
Alexander Raab: Die Unternehmensinsolvenzen sind derzeit noch rückläufig, da viele staatliche Mittel bekommen und die Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt haben, um sich über Wasser zu halten. Zudem war die Insolvenzantragspflicht bis 30.04.2021 teilweise ausgesetzt. Die Anfragen haben aber zugenommen. Ich gehe davon aus, dass die Insolvenzen in den nächsten Monaten massiv zunehmen werden. Dabei wird es einzelne Branchen wie Einzelhandel, Reisebranche, Gastronomie aber auch bereits vor Corona angeschlagene Branchen wie Automotive besonders treffen.
WZ: Rund ein Jahr lang hat die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht Firmen in der Krise vor der Pleite geschützt. Ist nun auch in Altmühlfranken mit einem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen zu rechnen?
Markus Rockmann: Das Problem der drohenden Insolvenzen konnte durch die Maßnahmen der Bundesregierung nicht verhindert, sondern lediglich vertagt werden. Kurzarbeit, Materialmangel und fehlende Mikrochips stellen vor allem die Automobilzulieferer in der Region vor große Herausforderungen. Aber auch andere vom Lockdown betroffene Firmen müssen mit dem bürokratischen Aufwand kämpfen und erhalten nach zwischenzeitlichen Öffnungen keine Hilfen mehr. Die Insolvenzwelle wird auch in Altmühlfranken ankommen, da die Hilfszahlungen oft auch die wahre finanzielle Struktur einiger Unternehmen verschleiert hat oder ihnen einfach die Luft ausgeht.
WZ: Erwarten Sie 2021 auch mehr Privatinsolvenzen?
Alexander Raab: Die Anträge nehmen schon jetzt stark zu. Das liegt aber vor allem an einer Regeländerung zum Jahreswechsel. Statt nach sechs Jahren können private Schuldner jetzt bereits nach drei Jahren die Befreiung von ihren Restschulden erhalten. Die Pandemie hat die Einführung des Gesetzes aber beschleunigt.
WZ: Was passiert, wenn ein Unternehmen seine Insolvenz nicht, falsch oder zu spät anmeldet?
Alexander Raab: Wird im Falle einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wissentlich kein Antrag auf ein Insolvenzverfahren gestellt, wird im juristischen Sinn von Insolvenzverschleppung gesprochen. Ein Verfahren droht auch, wenn der Antrag zu spät oder fehlerhaft gestellt wurde.
WZ: Was ist die Rolle des Insolvenzverwalters?
Alexander Raab: Der Insolvenzverwalter begleitet das Verfahren, sichert und bewertet das Vermögen, ermittelt die vorhandene Masse, erarbeitet ein Gutachten und verteilt die Insolvenzmasse in erster Linie unter den Gläubigern. Doch die Einleitung eines Insolvenzverfahrens bedeutet nicht mit sicherer Konsequenz die Zerschlagung eines Unternehmens. Vielmehr kann dieses dazu genutzt werden, die Grundlagen für eine Sanierung und spätere Fortführung außerhalb eines Insolvenzverfahrens des Unternehmens zu schaffen. Findet er keinen Übernehmer, kommt es zur Zerschlagung. Um die Gläubiger in diesem Fall zufrieden zu stellen, ist die Insolvenzverwertung zu einem adäquaten Preis notwendig.
WZ: Ist eine Verwertung des zur Insolvenzmasse gehörenden Anlage- und Umlaufvermögens nach Betriebsstilllegung vermeidbar?
Markus Rockmann: Meistens ist sie unvermeidbar. Zwangsversteigerungen werden mehr werden. Viele Unternehmer setzen sogar ihre ganze Hoffnung darauf, um möglichst unbeschadet aus der Zahlungsunfähigkeit herauszukommen. Diese Verwertungstätigkeit ist eine meiner Kernaufgaben. Durch gute Kontakte zu Handel und Industrie konnte ich bundesweit ein gutes Netzwerk aufbauen, welches eine schnelle und zuverlässige Verwertung, auch schwieriger Objekte, garantiert.
WZ: Was spricht für die Einschaltung eines öffentlich bestellten, vereidigten Versteigerers?
Markus Rockmann: Ein Delegieren der Verwertung kann nur an vertrauenswürdige Personen übertragen werden. Deshalb werden bei Insolvenzen meist öffentlich bestellte Versteigerer eingesetzt.
WZ: Wie laufen Versteigerungen aus der Insolvenzverwertung ab?
Markus Rockmann: Gekauft wie gesehen! Die Versteigerungen werden aufgrund der Pandemie online abgehalten, mit Hammerschlag durch den Verwerter am Verwahrort. Dadurch hat sich das Einzugsgebiet sogar vergrößert.
WZ: Hat der Schuldner noch weitere Möglichkeiten, schneller an liquide Mittel zu kommen?
Markus Rockmann: Unser neuer Online-Marktplatz www.rockmann-industrieauktionen.de bietet eine schnelle Verkaufs bzw. Verwertungsmöglichkeit.
WZ: Hat die Pandemie die Verwertungsbranche verändert?
Markus Rockmann: Ja, die Branche ist derzeit sehr eingeschränkt. Viele Unternehmer halten sich zurück, da sie nicht wissen, was sie in dieser schwierigen Zeit tun sollen oder kein Geld zur Verfügung haben. Oft ist auch kein Nachfolger vorhanden.
WZ: Eine Insolvenz ist meist nicht besonders angenehm, weder für die Angestellten noch den Unternehmer. Sie ist verbunden mit dem Verlust der wirtschaftlichen Existenz. Welche Voraussetzungen müssen ein Insolvenzverwalter und ein Insolvenzverwerter mitbringen?
Alexander Raab: Man muss Gespür haben, Sorgfalt walten lassen, mit den Menschen menschlich kommunizieren, aber in der Sache hart bleiben. In jedem Insolvenzverfahren steckt die Chance eines Neuanfangs.
Markus Rockmann: Die Abwicklung ist sehr emotional belastet? Deshalb sind Fingerspitzengefühl, Erfahrung, Wissen und eine gute Vorbereitung äußerst wichtig. Ich fühle mich in meinem Beruf berufen. Die abwechslungsreiche Arbeit macht mir Spaß.
WZ: Welche Dienstleistungen bietet die Verwertungsgesellschaft noch an?
Markus Rockmann: Mein Portfolio umfasst auch Bewertungsgutachten für Maschinen, technische Anlagen sowie Betriebs- und Geschäftsausstattung, Maschinen- und Fahrzeugversteigerungen im Einzelnen, Immobilienversteigerungen und -verkauf, Unternehmensverkäufe im Ganzen, Betriebsauflösungen und Werksschließungen von A bis Z, Pfandverwertungen und öffentliche Zwangsversteigerungen für Gerichte, Speditionen, Rechtsanwälte und Kreditinstitute, Sicherstellungen von Vermögenswerten aller Art und kostenpflichtige Schuldnerberatungen.
WZ: Welche Vorteile sprechen für eine Beauftragung von Rockmann Industrieauktionen GmbH & Co. KG?
Markus Rockmann: Als Spezialist für Industrieauktionen und -vermarktungen verfügt die Firma Rockmann über umfangreiche Erfahrung und erstklassige Referenzen in der Abwicklung von Großprojekten, Räumungen von Betriebsstätten und mehreren Tausend Maschinenverkäufen bei Konzernen, Mittelstands- und Kleinbetrieben.
Die Fragen an die Insolvenz-Experten stellte Brigitte Dorr.
Fotos: Pixabay
Bildunterschrift: „Die Insolvenzwelle wird kommen. Sie ist wichtig für die Regulierung des Marktes, obwohl die Menschen das nicht gerne hören“, so Markus Rockmann (li.) und Alexander Raab (re.). Fotos: Markus Rockmann, Alexander Raab