Artikelreihe „Einsamkeit“: Wohin, wenn Babys mehr schreien als Eltern aushalten können?
Altmühlfranken (red). Schwangerschaft und Geburt stellen im Leben von Eltern vieles auf den Kopf. Nichts scheint mehr wie vorher zu sein. Obwohl sich Eltern meist gut vorbereitet haben und sich auf den neuen Lebensabschnitt freuen, gibt es Momente, in denen man sich ratlos fühlt und das Verhalten des Babys nicht versteht und auch nicht begründen kann.
Schreien, um Bedürfnisse zu äußern
Wichtig ist für frisch gebackene Mütter und Väter zu wissen, dass es erstmal völlig normal ist, dass Babys schreien. Nur so können sie sich ausdrücken und ihre Bedürfnisse mitteilen. „Hunger, Müdigkeit, Bauchweh, anderes Unwohlsein oder auch die Sehnsucht nach Nähe werden durch Schreien geäußert“, erklären die Fachkräfte in speziellen Beratungsstellen und nennen dies Regulationsstörung. Noch dazu muss sich das Baby in den ersten drei oder vier Monaten noch an vieles gewöhnen. Manche von ihnen können sich schon begrenzt selbst beruhigen. Sind sie unruhig oder unsicher, nuckeln sie zum Beispiel an ihrer Hand, legen die Hand auf den Bauch oder ziehen die Beine an.
Doch manche Babys schreien stundenlang und Eltern können sich dadurch erschöpft und verunsichert fühlen, wenn es nicht gelingt, das Baby zu beruhigen. „Noch dazu schlafe ich als Mama viel zu wenig und fühle mich oft hilflos. Die Stimmung in der Familie ist angespannt, Wut entsteht ganz schnell in meinem Bauch und ich bin manchmal am Rande der Verzweiflung“, äußert eine Mutter, deren Baby noch keine eigenen Möglichkeiten gefunden hat, sich selbst zur Ruhe zu bringen. Selbst Hilfestellungen können Babys mit Regulationsstörungen kaum annehmen. Mamas und Papas von sehr unruhigen Babys bleibt oft nicht mal mehr die Kraft, sich Unterstützung zu holen; sie ziehen sich zurück, fühlen sich nicht selten alleingelassen und einsam.
Dem Baby helfen, sich zu beruhigen
Es gibt viele Möglichkeiten, um ein Baby zu beruhigen. Ein Patentrezept gibt es allerdings nicht, da jedes Baby und auch seine Eltern anders sind. Hilfreich könnte sein, das Händchen des Babys zu streicheln, es sanft auf dem Arm zu schaukeln, ein ruhiges Lied vorzusingen, den Bauch oder Rücken sanft zu massieren, das Baby im Tuch zu tragen oder an der frischen Luft spazieren zu gehen. Eltern sollten einfach ausprobieren, welche Methode guttut und sich ausreichend Zeit dafür lassen. Denn Hektik kann auch schnell zu Überreizung beim Kind führen. Je ruhiger Mama oder Papa bleiben, desto besser kann sich auch ihr Kind entspannen.
Möglicherweise muss das Baby aber auch die Anspannung, die es empfindet einfach herausschreien. Dann ist es wichtig, sich von dem Gedanken zu lösen, das Kind beruhigen zu müssen und ihm stattdessen Trost zu schenken. Dementsprechend ist es wichtig, nicht zu vergessen, dass Babys nicht schreien, um die Erwachsenen zu ärgern.
Das unstillbare Schreien eines Babys kann Eltern sehr belasten. Damit Eltern nicht die Beherrschung verlieren, empfehlen Expertinnen und Experten, das Baby an einen sicheren Ort zu legen, zum Beispiel ins Gitterbett und kurz den Raum zu verlassen, um tief durchzuatmen und Stress abzubauen. Dabei alle paar Minuten nach dem Baby schauen und sich, wenn nötig, Unterstützung holen. Denn es gibt nichts Schlimmeres, als aus Hilflosigkeit und Wut das Baby zu schütteln. Es fügt dem Baby schwere lebenslange Schäden zu.
Nicht nur das Schreien ist eine Regulationsstörung
Ähnlich belastend sind für die Eltern Situationen, in denen das Baby die Nahrung verweigert, in den Nächten stündlich schreiend aufwacht oder nicht ohne Hilfe in den Schlaf findet. Auch ein Kleinkind, das tagsüber ständig unzufrieden ist, Aufmerksamkeit fordert, ängstlich klammert oder heftig trotzt, kann die Eltern-Kind-Beziehung belasten.
Eltern werden nicht alleine gelassen
Wichtig ist, dass auch medizinische Ursachen, die für das Schreien des Babys verantwortlich sein können, die durch eine Untersuchung bei einer Kinderärztin oder einem Kinderarzt, Hausärztin oder Hausarzt abgeklärt werden müssen. Ist das Baby gesund, so finden belastete Eltern Beratung und Hilfe in spezialisierten Beratungsstellen oder bei einem Facharzt sowie in Schreiambulanzen, die meist an Kinderkliniken angeschlossen sind.
Die regionalen und überregionalen Ansprechpartner sowie Notfallnummern hat die KoKi-Netzwerk frühe Kindheit in ihrem „Bitte nicht schütteln“ – Flyer gelistet. „Jede Familie, die ein Baby bekommt, erhält den Flyer mit dem Willkommensbrief des Landkreises zugesandt. So ist er für den Notfall bei den Eltern“, erklären die KoKi Mitarbeiterinnen Christine Müller und Sandra Heuberger-Streb.
Zudem ist der Flyer auf der KoKi Homepage unter www.altmuehlfranken.de/soziales/kinderschutzstelle/ zu finden.
Bildunterschrift: Informationen zum Thema finden Betroffene bei der KoKi-Netzwerk frühe Kindheit. Foto: Landratsamt Weißenburg-Gunzenhausen
Hintergrundinformation: Um die vielfältigen Aspekte von Einsamkeit in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit zu lenken, wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege der diesjährige Präventionsschwerpunkt auf die „Gesundheitlichen Folgen von Einsamkeit“ gelegt. Innerhalb dieses Rahmens wurde in Kooperation mit unterschiedlichen Institutionen im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen von der Gesundheitsregionplus eine Artikelreihe erstellt, die monatlich gezielt einen potentiell von Einsamkeit betroffenen Personenkreis anspricht und spezifische Unterstützungs-, Vernetzungs- und Hilfsangebote des Landkreises vorstellt. Anhand realer Beispiele wird versucht, auf das Thema aufmerksam zu machen und auch zu sensibilisieren. Begleitend zu der Artikelreihe informiert das Landratsamt auch auf der Homepage und in den sozialen Medien über das Thema.