Der Erinnerung einen festen Platz geben – Steintafel am jüdischen Friedhof Gunzenhausen erinnert an die Familie Bermann

Gunzenhausen (red). Wenn Leben grundlos und willkürlich ausgelöscht wird, dann bleibt vor allem Sprachlosigkeit und unendliche Leere. Die Schrecken des Nationalsozialismus machten vor der Stadt Gunzenhausen nicht Halt. Das Regime schlug auch in der mittelfränkischen Provinz mit Gewalt und Rücksichtslosigkeit zu. Lebten 1933 noch 184 Juden in der Altmühlstadt, verließen 1939 die letzten jüdischen Einwohner Gunzenhausen. Das Leben vieler Vertriebener verlief tragisch, häufig war das Ende des Schicksals der Holocaust.

Der Gunzenhäuser Stadtarchivar Werner Mühlhäußer forscht seit Jahrzehnten zur Geschichte der jüdischen Kultusgemeinde von Gunzenhausen. Teile seiner Erkenntnisse flossen in das international beachtete Homepageprojekt „Jüdisches Leben in Gunzenhausen“ (www.jl-gunzenhausen.de) und in eine begehbare Ausstellung zur jüdischen Kultusgemeinde, welche regelmäßig im Taharahaus besichtigt werden kann (Termine unter www.gunzenhausen.info).

Mit dem Taharahaus und dem angrenzenden jüdischen Friedhof verfügt Gunzenhausen über zwei wichtige Orte der Erinnerung. Regelmäßig besuchen Nachkommen ehemaliger jüdischer Bürgerinnen und Bürger Gunzenhausen. Hier treffen sie auf die Vergangenheit und einen Ort, an dem ihre Vorfahren lebten, wirkten und arbeiten. Gemeinsam mit Vertretern der Stadt, u.a. im Rahmen der Deutsch-Jüdischen Dialoggruppe Gunzenhausen, arbeiten sie an einer Zukunft, in der sich Vergangenheit nicht wiederholen darf. So auch der Amerikaner Leigh Firn, ein Nachkomme der Familie Bermann. Er ließ vor kurzem im jüdischen Friedhof eine Gedenktafel anbringen, auf der die Namen seiner Vorfahren zu lesen sind.

Leigh Firn ist ein Enkel Sophia Bermanns, die 1942 ins Ghetto Piaski deportiert und später vermutlich ermordet wurde. Ursprünglich stammen die Bermanns aus Markt Berolzheim, erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verlegten die Tuch-, Schnitt- und Lederwarenhändler Nehemia und Karolina Bermann ihren Lebensmittelpunkt nach Gunzenhausen. Sohn Bernhard baute später ein Wohnhaus in der Auergasse 3, das gleichzeitig als Geschäftseinheit diente. Bis zum Abbruch im Jahr 1880 befand sich am gleichen Ort übrigens die zweite, heute bekannte Synagoge Gunzenhausens.

Unter Führung des geschäftstüchtigen Sohnes wuchs das Familienunternehmen und bereits 1902 wurde im Anwesen Marktplatz 22 die Eröffnung des „Schuhwaren-Hauses“ gefeiert. Zehn Jahre später wurde der Laden in die Gerberstraße 8 verlegt, dazu die bisherige Bäckerei zu einem „großen, modernen Laden“ umgebaut, wie es in einem zeitgenössischen Pressebericht nachzulesen ist. Bis zur Vertreibung durch die Nazis im Jahr 1935 arbeiteten und lebten die Bermanns in Gunzenhausen, ihr Schuh- und Lederwarengeschäft war weit über die Grenzen der Altmühlstadt hinaus bekannt.

Zwischen 1879 und 1893 wurden Bernhard Bermann von Ehefrau Johanna acht Kinder geschenkt. Während der jüngste Sohn Josef bereits 1890 im Alter von nur sechs Monaten starb, wurde der älteste Sohn David 1902 während einer Geschäftsreise ermordet. Der zweitälteste Sohn Viktor fiel im Ersten Weltkrieg. Die Spuren von Sohn Sigmund und der beiden Töchter Ida und Sophia verlieren sich im jüdischen Ghetto Piaski, möglicherweise wurden die drei Verfolgten ins Vernichtungslager Belzec gebracht. Den beiden Töchtern Lina und Klara gelang die Flucht in die USA.

Der amerikanische Staatsbürger Leigh Firn ist ein Enkel von Sophia Bermann. Die Gunzenhäuserin heiratete 1906 den Viehhändler Leopold Firnbacher und lebte mit ihm bis zur Zwangsumsiedlung nach München in Regensburg. Die vor kurzem im jüdischen Friedhof angebrachten Gedenktafel erinnert an das Ehepaar Bernhard und Johanna sowie an deren Kinder. Die beiden geflohenen Töchter Lina und Klara finden sich auch darauf.

Die Gunzenhäuser Steinmetzwerkstatt Roll hat die Tafel angefertigt, die Anbringung wurde durch den Friedhofsreferenten beim bayerischen Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinde in München genehmigt. Künftig wird Stadtführerin Elke Hartung die Lebensgeschichte der Familie Bermanns im Rahmen von Führungen zur jüdischen Kultusgemeinde nacherzählen. Die Erinnerung an die jüdische Familie Bermann wird am Leben gehalten und als Warnung an die Nachfolgegenerationen weitererzählt.

Weiterführende Informationen zum jüdischen Leben in Gunzenhausen erhalten Sie unter www.jl-gunzenhausen.de.

Bildunterschrft: Der Gunzenhäuser Stadtarchivar Werner Mühlhäußer forscht seit vielen Jahren zur Geschichte der jüdischen Kultusgemeinde von Gunzenhausen. Hier steht er an der Gedenktafel für die Familie Bermann. Foto: Stadt Gunzenhausen/ Manuel Grosser

 

Das Bild zeigt ausschnittsweise den jüdischen Friedhof in Gunzenhausen. Foto: Stadt Gunzenhausen/ Manuel Grosser

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