Dringend benötigte Hilfe für die Ukraine kommt an

Gunzenhausen (red). Die Hilfe für das Reha-Zentrum im Regionalkrankenhaus Poltawa in der Zentralukraine läuft an. Ende Januar wurde bereits die zweite LKW-Ladung mit 22 Krankenhausbetten, vier Behandlungsliegen, zwei Generatoren, einem isokinetischen Kraftmesssystem, einem Seilzugsystem sowie Patientenspinden von Gunzenhausen nach Poltawa transportiert. Gleichzeitig finden seit September 2023 regelmäßige Online-Fortbildungen statt, an denen bisher 93 ukrainische Ärzte und medizinische Fachkräfte teilgenommen haben.

Im Rahmen einer Klinikpartnerschaft unterstützt die Altmühlseeklinik Hensoltshöhe, eine Reha-Klinik in Gunzenhausen, seit dem Sommer 2023 das ukrainische Regionalkrankenhaus bei der Weiterentwicklung der Reha-Abteilung, gefördert durch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Wissen vermitteln und Geräte beschaffen

„Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine hat zu unzähligen Kriegsopfern mit Amputationen von Gliedmaßen und schweren orthopädischen Verletzungen (Polytraumen) geführt“, erklärt der Chefarzt der Altmühlseeklinik Dr. Friedbert Herm. Die Verletzten könnten ihren Beruf zum Teil nicht mehr ausüben oder nur noch eingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, so Herm. Dazu kämen psychische und psychosomatische Beeinträchtigungen der Betroffenen und deren Umfeld.

Verwaltungsleiter Bela Hans Gerd Kaunzinger ergänzt: „Gegenwärtig sind in der Ukraine nahezu keine Einrichtungen in der Lage, medizinische Rehabilitation für die Verletzten qualitätsgesichert und evidenzbasiert durchzuführen. Da die Altmühlseeklinik über breite Erfahrungen in der orthopädischen Rehabilitation verfügt, kann genau hier ein Wissenstransfer stattfinden.“ Die Reha-Klinik unterstütze daher die Beschaffung der richtigen Ausstattung und führe selbst Schulungsmaßnahmen durch – aufgrund des Krieges vorerst jedoch nur online. Daran könne das medizinische Personal in den Gesundheitseinrichtungen der Region Poltawa nach Absprache mit den ukrainischen Behörden während der Arbeitszeit teilnehmen.

Ausbau des Reha-Zentrums

Die Gebietshauptstadt Poltawa liegt etwa 350 Kilometer südöstlich von Kiew und hat rund 300.000 Einwohner. In der Ukraine sind die orthopädischen Reha-Stationen direkt an Schwerpunktkrankenhäuser angegliedert, es gibt also keine eigenen Rehakliniken wie in Deutschland. Das Regionalkrankenhaus in Poltawa ist solch ein Maximal- und Schwerpunktversorger und verfügt über 779 stationäre Betten. Hier wurde ein Zentrum für Rehabilitationsmedizin gegründet, das überregional ausgebaut werden soll, um nicht nur Kriegsverletzte, sondern auch Opfer von Verkehrsunfällen rehabilitativ zu versorgen. Die Lieferungen aus Gunzenhausen ersetzen nun die alten Betten und erweitern das Zentrum von 30 auf 50 Betten.

„Als lokaler Projektkoordinator in Poltawa ist der gut vernetzte Arzt Vitaliy Schewtschenko für die Klinikpartnerschaft tätig“, berichtet Kaunzinger. „Im Laufe des Augusts 2023 stimmte er mit Dr. Grigory Oksak, Klinikvorstand und Chefarzt des Regionalkrankenhauses, den Bedarf an medizinischer Ausrüstung, Pflegebetten, Reha-Geräten sowie Fortbildungen ab. Ein Projektassistent an unserer Klinik kümmert sich seitdem um die Organisation und Beschaffung der Sachgüter.“ Die erste Lieferung mit 29 Krankenhausbetten inklusive Zubehör sei bereits Ende Oktober in Poltawa angekommen.

Luftalarm unterbricht Schulungen

Im Herbst begannen Fachärzte der Altmühlseeklinik mit telemedizinischen Beratungen und Online-Fortbildungen, die großen Anklang finden. Chefarzt Dr. Friedbert Herm schildert: „Die erste Schulung startete mit 32 Ärzten und medizinischen Fachkräften zum Thema Rehabilitationskonzepte. Allerdings wird in Poltawa mehrfach am Tag Luftalarm ausgerufen, sodass das Personal Luftschutzräume aufsuchen muss. Um die Schulungen nachholen zu können, werden sie aufgezeichnet.“

Weitere Online-Schulungen durch Fachärzte der Altmühlseeklinik behandelten Themen wie Rehabilitation nach Amputationen, Frakturen oder Polytraumen, Chronisches Schmerzsyndrom sowie Burnout von medizinischem Personal. Zwei Muttersprachlerinnen, eine Ärztin und eine Sozialpädagogin, übersetzen die Vorträge ins Ukrainische. Anschließend können die Zuhörer Rückfragen stellen. Auch Lehrvideos zur Therapie mit den gelieferten Reha-Geräten werden in der Landessprache in Gunzenhausen aufgezeichnet, um den ukrainischen Fachkräften die Einarbeitung zu erleichtern.

Zwischen den regelmäßigen Fortbildungen beraten die Fachärzte der Altmühlseeklinik die ukrainischen Kollegen telemedizinisch. Für Februar und März sind außerdem zwei weitere LKW-Transporte mit medizinischen Reha-Geräten vorgesehen. Sobald das Reha-Zentrum in Poltawa modernisiert und erweitert worden ist, rechnet die Leitung der Altmühlseeklinik damit, dass monatlich etwa 100 Rehabilitanden von der Klinikpartnerschaft profitieren werden.

Stiftung Hensoltshöhe

Der Träger der Altmühlseeklinik ist die Stiftung Hensoltshöhe. Sie ist ein Diakoniewerk und ein geistliches Zentrum im mittelfränkischen Gunzenhausen. Sie führt die über 110-jährige Tradition des Gemeinschafts-Diakonissen-Mutterhauses Hensoltshöhe fort. Im missionarisch-diakonischen Auftrag arbeiten rund 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den verschiedenen Einrichtungen. In Gunzenhausen betreibt die Stiftung Hensoltshöhe eine Rehaklinik, eine Realschule, eine Fachakademie für Sozialpädagogik sowie ein Familienzentrum. In Nürnberg führt sie ein Altenheim für vollstationäre und Kurzzeitpflege. Auch in zwei Tagungs- und Gästehäusern am Ammersee und im Allgäu steht der Dienst am Menschen im Vordergrund.

Bildunterschrift: In Gunzenhausen wird ein LKW beladen. Foto: Stiftung Hensoltshöhe

Das ausgebaute Rehazentrum; Foto: Stiftung Hensoltshöhe

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