Slow Food unterstützt die Landwirte, nicht aber die Form der Proteste

Altmühlfranken (red). Slow Food Altmühlfranken sieht in der Streichung der Agrardieselbeihilfe und der Kfz-Steuerbefreiung eine nicht nachvollziehbare Benachteiligung ausgerechnet der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung. Denn klimapolitisch hätte eine Reduzierung der Kohleverstromung oder die Subventionierung des Flugverkehrs deutlich höhere Effekte erzielt und vor allem für eine größere Entlastung des Bundeshaushalts bewirken können. Auch gesamtgesellschaftlich wären dies effizientere Maßnahmen gewesen, zumal für die Landwirtschaft derzeit noch keine Alternativen für die Nutzung von Traktoren oder Diesel angeboten werden können.

Insgesamt muss aber die Kfz-Steuerbefreiung endlich einmal – und natürlich nicht alleine für die Landwirte – auf den Prüfstand. Hier, wie auch bei der Agrardieselbeihilfe ist es ja gesellschafts-politisch nicht mehr zu verantworten, dass in dieser Zeit noch klimaschädliche Subventionen gewährt werden. Das Umweltbundesamt mahnt schon seit Jahren stattdessen eine Umkehr zu einer nachhaltigen Landwirtschaft an und kritisiert massiv die Agrardieselsubventionen sowie die partielle Kfz-Steuerbefreiung. Soweit für bestimmte Branchen nicht gerechtfertigte Nachteile aus einer Besteuerung oder der Höhe eines für die berufliche Mobilität notwendigen Treibstoffs tatsächlich entstehen, sind diese Branchen endlich über einen anderen Weg wirkungsvoll zu entlasten. Aber angesichts der globalen Anstrengungen um jeden Millimeter Fortschritt bei den Bemühungen der für uns alle existenzbedrohenden Klimaveränderung, ist dieses Instrument einer klimaschädlichen Subvention mittlerweile völlig untragbar sowie gesellschaftspolitisch nicht zu verantworten!
Und es ist gerade deswegen auch höchst fragwürdig, dass dann noch mit diesen von allen Steuer-zahlenden dieselsubventionierten Traktoren zu Demonstrationen aufgerufen und aufgefahren wird. Denn es gibt in der Tat sehr viel kreativere und ebenso öffentlichkeitswirksame Proteste, deswegen müssen – in bester und gleichwohl wenig sinnvoller Klimakleber-Manier – keine Verkehrs- oder Wasserwege blockiert werden.

Slow Food sieht in der jetzt sichtbar gewordenen Protestbereitschaft vieler Bäuerinnen und Bauern eine umfassende Unzufriedenheit mit der Agrarpolitik dieser sowie aller vorangegangener Bundes-regierungen, weil eine Reihe von Zusagen nicht eingehalten wurden. Dieter Popp hält es als Slow Food-Vorsitzender Altmühlfranken für längst überfällig – und diese Forderung wird auch von
der Gesellschaft breit mitgetragen – wenn Landwirte endlich von gerechten Erzeugerpreisen und nicht von Subventionen leben können. Solange aber alle umwelt- und gesundheitspolitisch notwendigen Bewirtschaftungsauflagen nicht ausreichend honoriert werden und vor allem die Gesellschaft die daraus resultierenden fairen Preise nicht akzeptiert, kann sich an der aktuellen Situation wenig ändern. Wenn Landwirte auf Traktoren demonstrieren und parallel dazu Verbraucher gezielt nach den Billig-Angeboten der Discounter suchen, gewinnt niemand in diesem Prozess.

Es gehört aber auch zur Wahrheit, dass viele Verbraucherinnen und Verbraucher all diese kompli-zierten Zusammenhänge nicht mehr wirklich umfassend nachvollziehen können und deswegen die Landwirtschaft nicht selten nur noch als eine höchst unzufriedene Berufssparte ansehen, von der sie allenfalls die Höhe der ihr gewährten Subventionen genauer beziffern können. Es fehlt leider noch immer ein echter und vor allem direkter Dialog zwischen den Konsumierenden und der Bauernschaft. Die jetzt entbrannten bäuerlichen Demonstrationen machen dies erneut deutlich, da weder deren Hintergründe von einer Bevölkerungs-Mehrheit richtig eingeschätzt, noch die Art und Weise einiger Protestformen als angemessen angesehen werden.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Sicherheit der Lebensmittelerzeugung nicht gegen Klima-schutz und Biodiversität ausgespielt werden kann, wie das vielfach in diesen Tagen zu hören war. Es sollte zum Allgemeinwissen gehören, dass gerade die Sicherheit der Produktion unserer Nahrungs-mittel in einem zunehmenden Maße von einem wirkungsvollen Schutz der Biodiversität unmittelbar abhängig sind. Beispiele aus der Nahrungsmittel-, aber auch der Arzneimittelforschung belegen, wie unverzichtbar immer noch der Rückgriff auf das genetische Potenzial zahlreicher Wildformen in der Artenvielfalt ist. Und wenn uns im Bereich des Klimaschutzes nicht innerhalb des verbliebenen und jährlich geringer werdenden Zeitfensters für global wirksame Gegenmaßnahmen, ein weitreichender Durchbruch gelingt, werden Agrardieselbeihilfen oder andere Subventionen uns kaum vor einem drohenden Klima-Desaster bewahren können. Aber diese Gegenmaßnahmen werden – wenn sie denn Wirkung zeigen sollen – uns allen eben auch sehr weh tun!

Umfassender als mit den jetzt vorgenommenen Streichungen kann der Landwirtschaft in Deutsch-land geholfen werden, wenn endlich als Auswirkungen der letzten Bauernproteste 2019/2020 die Empfehlungen der sog. Borchert-Kommission sowie der Zukunftskommission Landwirtschaft – beide unter aktiver Mitwirkung bäuerlicher Vertretungen entstanden – konkret umgesetzt werden. Dazu zählen vor allem der Umbau der Tierhaltung und eine nachhaltigere Form des Pflanzenbaus, damit mehr umweltverträglich, klimaschonend und tierwohlgerecht gewirtschaftet werden kann. Diese Maßnahmen sind auch ein Beitrag zur höheren Akzeptanz der Landwirtschaft in der Gesamtgesell-schaft. Und sie sind in weiten Teilen sogar kostenneutral umzusetzen, so dass damit der Bundeshaus-halt nicht erheblich mehr belastet werden müsste. Im Zeitalter der Digitalisierung sollte es aber auch möglich sein, sich von flächengebundenen Subventionen zu verabschieden, damit der Großteil dieser Zahlungen vor allem den Kleinbetrieben – gerade hier in Franken – zukommt, die nach wie vor bei den meisten Agrarreformen der letzten Jahrzehnte zu kurz gekommen sind. Es geht – entgegen mancher Parolen auf den durch Deutschland kutschierenden Traktoren-Konvois – eben nicht vorrangig um diese Subventionen, sondern darum den Bauern eine echte berufliche Perspektive zu bieten sowie ihnen endlich sowie dauerhaft auch kostendeckende Preise zu zahlen – eine immer wieder erhobene Slow Food-Forderung!

Slow Food ist eine weltweite Bewegung, die sich für eine lebendige und nachhaltige Kultur des Essens und Trinkens einsetzt. Der Verein tritt für die biologische Vielfalt ein, fördert eine nachhaltige und umweltfreundliche Lebensmittelproduktion auf der Basis fairer Erzeugerpreise, betreibt Geschmacksbildung und bringt Erzeuger von handwerklich hergestellten Lebensmitteln auf Veranstaltungen sowie durch Initiativen mit Verbrauchenden zusammen.

Slow Food Deutschland wurde 1992 gegründet und ist ein eingetragener Verein mit Sitz in Berlin. Die Slow Food Bewegung zählt in Deutschland etwa 21.000 Mitglieder in über 90 Convivien (lokale Gruppen),weltweit engagieren sich mehr als 190.000 Menschen in über 165 Ländern (www.slowfood.de).

Slow Food Altmühlfranken wurde 2012 gegründet und widmet sich dem Bewusstsein für die vor Ort noch vorhandenen bäuerlichen Erzeuger sowie das Lebensmittel verarbeitende Handwerk. Eine hohe Dichte selbst schlachtender Metzgereien, eine Vielzahl an Mühlen und noch selbst backende Bäckereien oder die 13 handwerklichen Brauereien zeugen von dieser Qualität sowie einer hohen regionalen Wertschöpfung, die es zu erhalten gilt. Damit all diese Produkte eine erlebbare Bühne erhalten und um zu unterstreichen, dass sie ihren Preis wert sind, bemüht sich Slow Food um die Sicherung dieser Lebensqualität.

Foto: Pixabay

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