Don’t forget your future teachers

(red). Eine Gruppe von mittlerweile 1200 Lehramtsstudenten fordert vom Kultusministerium Ausnahmeregelungen bei den Staatsexamen, die aufgrund der Corona-Pandemie auf unbestimmte Zeit verschoben worden waren.

Die Prüfungen des Ersten Staatsexamens hätten Anfang April bis auf die mündlichen und praktischen Prüfungen bereits abgeschlossen sein sollen. Am 18.3.2020 wurden die Prüflinge informiert, dass alle Prüfungen bis auf Weiteres ausgesetzt sind, mit dem Hinweis, die Vorbereitungen weiter fortzusetzen. Am 29.4.2020 erhielten die Studenten nach sechs Wochen Unsicherheit die Auskunft, dass die Prüfungen ab dem 18.5.2020 in Form einer Stundung der ursprünglichen Prüfungen weitergeführt werden. Durch die aktuelle Ausnahmesituation aufgrund der Pandemie sowie der fehlenden Transparenz und Kommunikation seitens des Bayerischen Ministeriums für Unterricht und Kultus sehen die Prüflinge der Ersten Staatsprüfung für Lehramt die Chancengleichheit und vor allem die sichere Durchführung der Prüfungen massiv gefährdet.

Die Unsicherheit, wann die Prüfungen fortgesetzt werden, sei für die meisten von ihen eine starke psychische Belastung in der sowieso schon schwierigen Zeit der Pandemie mit all ihren Einschränkungen des täglichen Lebens wie Kinderbetreuung, Jobverlust oder Wohnungsverlust. Viele Prüflinge haben ihr finanzielles Standbein verloren und sind durch die momentane Situation privat sehr belastet. Der Zugang zu Fachliteratur sowie die Arbeit in Lerngruppen waren aufgrund der Kontaktbeschränkungen nicht möglich.

Hinzu komme die Belastung aufgrund der Prüfungsgegebenheit selbst. Die Examensprüfungen zählen 60 Prozent der Gesamtnote des Ersten Staatsexamens und können nur einmal wiederholt werden. Bei zweimaligem Nicht-Bestehen kann so ein mitunter fünfjähriges Studium (in dem so viele Prüfungen bereits abgelegt wurden) ohne Abschluss beendet werden. Ein Zweitversuch unter den momentanen Bedingungen sei ebenfalls alles andere als vergleichbar mit anderen Prüfungsjahrgängen.

Daher fordert die Gruppe folgende Optionen:

  • Die vom Kultusministerium angesetzten Prüfungstermine werden von allen wie geplant wahrgenommen und dem Korrekturverfahren zugeführt. Den Prüflingen wird jedoch mindestens die Note gegeben, die zum Bestehen des 1. Staatsexamens erforderlich ist. Das stellt sicher, dass die Absolventen im Herbst 2020 an den Schulen eingesetzt werden können. Die Möglichkeit der Notenverbesserung am folgenden Prüfungsterminen sollte natürlich weiterhin gegeben sein.
  • Den Prüflingen wird eine Wahlmöglichkeit gegeben, ob das Examen zu den neu bekannt gegebenen Terminen geschrieben, oder die Note aus den individuellen Leistungen im Studium zusammengesetzt wird.
  • Den Prüflingen wird ein zusätzlicher Freiversuch gewährt. Besteht man die Prüfung nicht, so kann im Folgejahr die Prüfung ohne Konsequenzen wiederholt werden.

„Diese Lösung betrachten wir als Win-Win-Situation: Den Prüflingen wird Wertschätzung entgegen gebracht, indem man sie in Bezug auf den Bestehensdruck entlastet und gleichzeitig profitieren die Schulen, die Schülerschaft und auch das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, da junge, motivierte Lehrkräfte in dieser herausfordernden Zeit ins Referendariat starten können. So stünden Ihnen mehr Referendare/innen zur Verfügung, die Lehrerinnen und Lehrer entlasten können, die zur Risikogruppe gehören. Diese Lösung wäre schnell prüfungsrechtlich umsetzbar“, so die Gruppe.

Lehramtsstudenten im Fokus

Lehramtstudientin mit Kindern: Ich bin Mutter von zwei Kindern. Die beiden sind vier Jahre und drei Monate alt. Ich habe mich trotz meiner Schwangerschaft dazu entschieden, das Examen dieses Semester abzulegen, damit ich es hinter mir habe und ab April, wenn meine schriftlichen Prüfungen um sind, wieder mehr Zeit für meine Familie zu haben. (…) Dann kam alles ganz anders. Seit Wochen gibt es keine Kinderbetreuung, die Kitas sind geschlossen und die Kinder mal schnell zu Freunden oder zur Oma bringen, ist in Zeiten des Lockdowns auch nicht möglich. Meine große Tochter kann nicht mit ihren Freunden spielen und ist total unausgelastet und das Baby wird auch immer aktiver und fordert meine Aufmerksamkeit ein. Wann soll man unter diesen Umständen genügend Zeit und Energie zu einer gewissenhaften Prüfungsvorbereitung finden? (…). Ich bin eigentlich ein optimistischer Mensch, aber im Moment stoße ich wirklich an meine Grenzen! Das sind keine fairen Bedingungen!

Lehramtsstudentin: (…) Plötzlich kommt neben der Sorge, ob ich denn mein Examen bestehen werde noch die Angst um die eigene Gesundheit und um die Gesundheit der Familie und Freunde hinzu. Als sich die Situation immer mehr zuspitzte, hieß es von Seiten des Kultusministeriums und den Prüfungsämtern, Staatexamina sind unaufschiebbare Prüfungen und finden auf jeden Fall statt. Dennoch war ständig diese Angst da, ob ich meine Prüfungen, auf die ich mich seit sieben Monaten vorbereite, auch wirklich schreiben kann. Ich habe versucht fokussiert zu bleiben, diese Ausnahmesituation mit Corona auszublenden, hab das aber überhaupt nicht geschafft! (…) Ich kann nicht mehr lernen, die Kräfte sind weg und ich weiß nicht aus welchem Hut ich diese so ganz plötzlich wieder zaubern soll.

Melanie A., Studentin Mittelschullehramt: Die jetzige Corona-Situation, für die niemand etwas kann, hat dazu geführt, dass ich seit dem 18.3.2020 zuhause auf meine Prüfungstermine warte, ohne Auskunft der Uni und ohne Auskunft des KMs. Es hieß kürzlich, was man auch nur zögerlich durch wiederholtes Nachfragen erfährt, dass sich der Zeitraum für mündliche Prüfungen bis zum 20.08.2020 ziehen wird. Und dann? Wie stellt sich das KM die Lebensumstände des Individuums vor? Mir ist klar, dass wir alle nur kleine Zahnräder im großen System des KMs sind, aber auch wir haben das Recht, gehört zu werden. Mir graust es jetzt schon vor dem Herbst. Angenommen der Fall träte ein, ich müsste bis 20.08. auf meine Prüfung warten, bekäme dann eine Woche später den Brief mit den Noten. Da davon abhängt, ob ich meine Stelle im Vorbereitungsdienst antreten kann, bringt mich das in eine fürchterliche Situation. In weniger als drei Wochen die liebgewonnene Wahlheimat verlassen müssen, die Wohnung kündigen, einen Nachmieter finden, zeitgleich aber bitte doch schon eine neue Wohnung gefunden und umgezogen sein, damit man am ersten Schultag gestriegelt und geschmiert, hochmotiviert und euphorisch vor der Klasse stehen kann. Die Situation ist für alle momentan eine absolute Belastungsprobe und ich habe Verständnis dafür, dass Informationen nur langsam kommen. Aber gar nicht? Das Examen schwebt wie ein Damoklesschwert über allen Examenskandidaten. Ich fordere eine grundsätzliche Änderung des Examens um uns Studenten/-innen auch eine Chance zu geben, sich die Inhalte länger als sechs Wochen merken zu können. Ich fordere Rücksichtnahme aufgrund der aktuellen Situation und ich fordere vor allem Informationen für alle Beteiligten.

Lehramtsstudentin Realschule: Man ist allein mit seinen Ängsten und fühlt sich, ohne jegliche Information zur Prüfungsfortsetzung vollkommen im Stich gelassen und hilflos. Während die Kräfte schwinden, steigt die Angst um meine Familie, Freunde und meine finanzielle Situation mehr und mehr an. (…) Außerdem wurden die Bibliotheken geschlossen und sind es nach wie vor, sodass kein Zugang zu prüfungsvorbereitender Literatur mehr möglich war bzw. nach wie vor nicht ist. Ganz nebenbei verlor ich auch noch meinen Nebenjob, mit dem ich mir mein Studium finanziere. Ich denke es ist offensichtlich, dass unter diesen Umständen keine faire und vergleichbare Prüfungsvorbereitung sowie Durchführung des Examens gewährleistet sind. (…) Zudem arbeite ich nun seit Mitte April fünf Tage pro Woche, da ich zu diesem Zeitpunkt eigentlich meine Prüfungen alle hinter mir gehabt hätte. Abgesehen davon, dass ich das Geld durch den Verlust des Nebenjobs unbedingt brauche, ist der Arbeitsvertrag schon lange im Vorfeld unterschrieben worden. Mein Mietvertrag ist bereits zum 1. Mai gekündigt, sodass ich zu den neuen Prüfungsterminen im Juni kein Dach mehr überm Kopf habe.

Bildunterschrift: Unter dem Hashtah #dontforgetyourfutureteachers wollen die Prüflinge auf ihre Situation aufmerksam machen. Foto: pixabay

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