(red). Nachdem durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Februar 2020 das 2015 vom Bundestag beschlossene Verbot der organisierten Sterbehilfe gekippt wurde, hat der Bundestag am Mittwoch, 18. Mai 2022, in einer Orientierungsdebatte über Möglichkeiten zur gesetzlichen Neuregelung der Suizidbeihilfe beraten. Wiederholt wurde dabei auf die Bedeutung von Suizidprävention sowie Hospizarbeit und Palliativversorgung verwiesen.
„Wir begrüßen die sehr sachliche Debatte, wie sie stattgefunden hat. Vor allem auch, dass der Suizidprävention in vielen Redebeiträgen eine so große Bedeutung zugekommen ist“, so Prof. Hardinghaus, Vorsitzender des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbands (DHPV). „Denn wichtiger als etwaige bundesweite, staatlich finanzierte Suizidberatungsstellen ist die Stärkung der Suizidprävention.“ Auch auf die Bedeutung der Hospizarbeit und Palliativversorgung bei der Suizidprävention wurde in mehreren Debattenbeiträgen verwiesen. Hospizarbeit und Palliativversorgung komme eine Schlüsselrolle zu, wenn es um Suizidwünsche von Menschen mit schweren,
lebensverkürzenden Erkrankungen gehe. „Hier braucht es, auch das wurde gestern fraktionsübergreifend betont, einen Ausbau der Angebote für schwerstkranke Menschen, die etwa aus Angst vor belastenden Symptomen
oder unerträglichen Schmerzen den Suizid in Erwägung ziehen, eine Forderung, die wir ebenfalls sehr begrüßen“, so Palliativmediziner Hardinghaus. Die praktische Erfahrung zeige, dass Menschen in der Regel von geäußerten Suizidwünschen Abstand nehmen, wenn sie sich gut begleitet und versorgt wissen und nicht das Gefühl haben müssen, zur Last zu fallen.
Die gesellschaftliche Dimension der Suizidbeihilfe wurde nur von wenigen beteiligten Bundestagsabgeordneten herausgestellt. „Dabei, und das darf nicht übersehen werden, geht es nicht nur um das Recht des Einzelnen, vermeintlich selbstbestimmt zu sterben, sondern darum, welchen Stellenwert wir in unserer Gesellschaft der Sorgekultur und Solidarität mit alten, kranken, auf Hilfe angewiesenen Menschen zumessen“, so Hardinghaus. „Auch hier weist der DHPV darauf hin, dass wir an einer gesamtgesellschaftlichen Kultur der Wertschätzung gegenüber kranken und sterbenden Menschen arbeiten müssen, statt den Zugang zur Suizidbeihilfe zu erleichtern.“
In Anbetracht der großen gesellschaftlichen Bedeutung, die die anstehende gesetzliche Regelung hat, plädiert der DHPV für eine fundierte Debatte, die sich die notwendige Zeit nimmt. „Vor allem sollte die gesetzliche Regelung der Suizidprävention der Regelung der Suizidbeihilfe vorausgehen“, so Hardinghaus. „Die Bundesregierung sollte sich hier und jetzt dazu bekennen, ein Gesetz zur Suizidprävention auf den Weg zu bringen, bevor es an die Umsetzung der staatlichen Regulierung der Suizidbeihilfe geht.“
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Der Deutsche Hospiz- und Palliativ Verband e.V. ist seit 1992 die bundesweite Interessenvertretung der Hospizbewegung sowie zahlreicher Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Deutschland. Als Dachverband der Landesverbände in den 16 Bundesländern sowie weiterer überregionaler Organisationen der Hospiz- und Palliativarbeit und als selbstverständlicher Partner im Gesundheitswesen und in der Politik steht er für über 1.280 Hospiz- und Palliativdienste und -einrichtungen, in denen sich mehr als 120.000 Menschen ehrenamtlich, bürgerschaftlich und hauptamtlich engagieren. Zur Regelung der Suizidprävention hatte der DHPV erst kürzlich gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) einen gemeinsamen Vorschlag vorgelegt und gefordert, bundesweit die Grundlagen und Rahmenbedingungen für Angebote der Suizidprävention zu schaffen. In einem 10-Punkte-Forderungspapier hatte der DHPV zu Beginn der 20. Legislaturperiode Eckpunkte für eine Weiterentwicklung der Versorgung und Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen vorgestellt und die drängendsten Aufgaben für die politisch Verantwortlichen benannt.
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